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Kurdische Sicherheitskräfte in Erbil am Tag des Referendums.

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Zwei Frauen, die in Kirkuk ihre Stimme abgegeben haben.

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Erbil – Trotz scharfer internationaler Kritik haben die Kurden im Nordirak in einem historischen Referendum über ihre Unabhängigkeit abgestimmt. Unter den mehr als fünf Millionen Wahlberechtigten zeichnete sich am Montag eine hohe Wahlbeteiligung ab: Um 16.00 Uhr MESZ lag sie bei rund 75 Prozent. Vor den Wahllokalen bildeten sich teilweise lange Schlangen. Die Wahllokale hatten von 07.00 Uhr (MESZ) bis 17.00 Uhr geöffnet. Mit dem Endergebnis wird innerhalb von 72 Stunden gerechnet.

Gegen das Referendum gibt es massiven Widerstand. Die irakische Zentralregierung hält die Abstimmung für verfassungswidrig. Auch die USA als wichtiger Verbündeter der Kurden im Nordirak, die UN und der Iran sprachen sich gegen das Referendum aus. Die Türkei hielt Militärmanöver an der Grenze ab, forderte eine Absage und drohte mit Sanktionen.

Der iranische Präsident Hassan Rohani forderte von Bagdad eine "besonnene" Reaktion auf das Referendum. Der Iran sei gegen die Abstimmung und stehe diesbezüglich voll und ganz auf der Seite der irakischen Zentralregierung, versicherte Rohani dem irakischen Ministerpräsidenten Haidar al-Abadi am Sonntagabend. Gleichzeitig aber hoffe er und sei sich auch sicher, dass der Irak "besonnen und klug" auf das Referendum reagieren und auch dieses Problem lösen werde.

Irak übt Druck auf Kurdengebiete aus

Der Iran hat am Sonntag den Luftraum zu den kurdischen Autonomiegebieten geschlossen, teilte ein Sprecher des iranischen Sicherheitsrats mit. Damit sei der Iran einem Wunsch der irakischen Zentralregierung gefolgt. Am Montag wurde bekannt, dass auch die Landesgrenzen zu der Kurdenregion geschlossen wurden.

Bagdad hat den Druck auf die autonome Kurdenregion nochmals erhöht. Das irakische Parlament forderte am Montag in einer Resolution die Entsendung von Truppen in den Nordirak. Die Regierung ist gemäß der Verfassung verpflichtet, den Beschlüssen des Parlaments Folge zu leisten. Die Entsendung von Truppen würde einer Kriegserklärung an die Kurden gleichkommen.

Das Büro von Ministerpräsident Abadi hatte zudem bereits am Sonntag mitgeteilt, andere Länder aufgerufen zu haben, kein Öl direkt aus der autonomen Kurdenregion zu beziehen, sondern sich nur an die Zentralregierung in Bagdad zu wenden. Das dürfte sich vor allem an die Türkei richten, das wichtigste Transitland für Öl der irakischen Kurden. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat bereits die Schließung der Grenze zur Kurdenregion angekündigt.

Die Regierung in Bagdad hat in der Vergangenheit immer wieder versucht, Ölexporte der Kurden zu blockieren. Die Kurdenregion im Irak steht für 15 Prozent der Ölförderung im Land, weltweit sind es 0,7 Prozent.

Für Unabhängigkeit

Es wird damit gerechnet, dass sich eine große Mehrheit der Wähler für die Unabhängigkeit aussprechen wird. Die Kurden genießen in ihren Autonomiegebieten im Nordirak bereits jetzt große Selbstständigkeit. So haben sie in ihrer Hauptstadt Erbil eine eigene Regierung und ein eigenes Parlament, das allerdings seit zwei Jahren gelähmt war und nicht tagte.

Umstritten ist das Referendum auch deswegen, weil zugleich in Gebieten gewählt werden soll, die eigentlich unter Hoheit der Zentralregierung in Bagdad stehen, aber von den Kurden ebenfalls beansprucht werden. Dazu gehört die ölreiche Provinz Kirkuk, die die kurdischen Peschmerga im Zuge der Kämpfe gegen den IS unter Kontrolle bringen konnten. In der Nacht auf Dienstag wird innerhalb der Stadt Kirkuk eine Ausgangssperre gelten.

Kurdenpräsident: "Kurden über Jahrzehnte unterdrückt"

Kurdenpräsident Massoud Barzani gab der irakischen Zentralregierung die Verantwortung für das Referendum. Diese habe die Kurden über Jahrzehnte unterdrückt und benachteiligt. "Wir haben unser Bestes getan, um eine Lösung mit Bagdad und der internationalen Gemeinschaft zu finden", sagte Barzani am Sonntag. "Bagdad hat uns nicht akzeptiert und uns damit dazu gezwungen, diesen Schritt zu machen." Es gebe kein Zurück zu dieser "gescheiterten Beziehung".

Barzani erklärte, er erwarte keine Zusammenstöße mit der irakischen Armee. Die kurdischen Peschmerga-Kämpfer seien aber bereit, auf jeden Angriff zu reagieren. Der Türkei und dem Iran sagte er zu, die Kurden würden ein Faktor für Stabilität in der Region sein und sich an internationale Grenzen halten. (APA, 25.9.2017)