Im Dezember 2016 hatte Bill English (mit Ehefrau Mary) den Job von John Key übernommen. Jetzt reüssierte der Premier bei der Wahl.

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Wellington/Canberra – Die Parlamentswahlen in Neuseeland am Samstag haben noch keinen klaren Sieger hervorgebracht. Die regierende Nationalpartei von Premier Bill English erhielt zwar solide 46 Prozent (58 von 120 Mandaten); trotzdem ist den Konservativen die Regierung noch nicht sicher. Erst ein Abkommen mit Kleinparteien, etwa der ultrarechten New Zealand First, könnte eine Koalition ergeben. Nicht so gut abgeschnitten, wie von vielen der 4,7 Millionen Neuseeländer erhofft, hat die oppositionelle Labour-Partei. Sie schaffte es auf voraussichtlich 45 Sitze (35,8 Prozent) und darf auf die Briefwähler hoffen. Die 37-jährige Vorsitzende Jacinda Ardern hatte in nur sieben Wochen seit ihrer Ernennung zur Parteichefin einen Sieg der Sozialdemokraten in greifbare Nähe gebracht.

Dennoch könnte Ardern jüngste Premierministerin der neuseeländischen Geschichte werden, denn jetzt beginne in dem Land, in dem es sechsmal mehr Schafe als Menschen gibt, ein "Kuhhandel" mit den Kleinparteien, wie ein TV-Kommentator meinte. Allen voran werden die populistische, rechtskonservative und fremdenfeindliche New Zealand First (sieben Prozent) und die Grünen (sechs Prozent) ihre Karten ausspielen. Gelingt es Ardern, sich mit beiden Parteien zu einigen, könnte sie eine Koalitionsregierung bilden. Doch New Zealand First und die Grünen unter ein Dach zu bringen, ist wie Wasser und Öl zu mischen.

Steuersenkungen versprochen

Ardern hatte noch am Samstagabend klargemacht, an ihren im Wahlkampf vorgestellten Programmen tatsächlich festhalten zu wollen: mehr Geld für Ausbildung, mehr Wohnraum, weniger Jugendarmut und ein besserer Schutz der Umwelt. Auch hatte sie versprochen, als Premierministerin die Notenbank reformieren zu wollen.

Auch Premierminister English wird es mit New Zealand First nicht einfach haben. English versprach Steuersenkungen – nicht unbedingt etwas, was die Minderheitenpartei wesentlich beeindruckt. NZ First ist stark protektionistisch eingestellt – im Gegensatz zur Regierungspartei, die sich einer freien Marktwirtschaft verschrieben hat. Die Politik des grenzenlosen Handels hat sich in den vergangenen Jahren zumindest auf den ersten Blick gelohnt: ein Plus beim BIP, ein Minus bei der Arbeitslosigkeit.

"Schwester, Tochter, Tante"

Der chronische Mangel an Wohnraum hat jedoch zu einer dramatischen Erhöhung der Preise geführt. Vor allem unter jüngeren "Kiwis" steigt der Frust. Nicht zuletzt aus diesem Grund versprach Ardern eine von 70.000 auf 40.000 reduzierte Einwanderungsquote. Zumindest in diesem Punkt sind sich Ardern und der erratisch agierende NZ-First-Chef Winston Peters einig. Aber jegliche Koalition einer Großpartei mit NZ First habe "das Potenzial, zum Gegenwind für die wirtschaftliche Entwicklung zu werden", so Hans Redeker von Morgan Stanley. Auch der New Zealand Dollar könnte instabil werden. "Eine solche Regierung könnte eine Anti-Kiwi-Reaktion auslösen", so Viraj Patel, Währungsstratege bei ING.

Beobachter glauben, dass es bis Mitte Oktober dauern könnte, bis eine neue Regierung gebildet ist. Kommentatorin Heather Ramsey zeigt sich überzeugt, dass Arderns Zukunft gesichert ist. Es sei nicht korrekt, zu behaupten, Ardern sei nur bei jungen Neuseeländern beliebt. "Sie ist die Schwester, Tochter, Tante und Freundin, die sich jeder wünscht." Auch wenn sie jetzt nicht Premierministerin werde, "hat sie doch das Fundament für eine stärkere Opposition gelegt – und für einen Wechsel der Regierung bei den nächsten Wahlen in drei Jahren". Dieser Zeitpunkt könne allerdings auch wesentlich früher kommen: Dann, "wenn ein Abkommen zwischen der Nationalpartei und NZ First sauer wird". (Urs Wälterlin, 24.9.2017)