Das olympische Denkmal für die Spiele 1964 und 1976 am Bergisel ist ausbaufähig, sagen quasi die Befürworter einer Bewerbung für die Winterspiele 2026. Die tirolweite Befragung am 15. Oktober steht ihrer Meinung nach etwas zu sehr im Schatten der Wahlen zum Nationalrat.

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Toni Innauer: "Olympische Spiele im eigenen Land erlebt zu haben wirkt ein Leben lang nach."

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STANDARD: Am 15. Oktober wird in Tirol über eine Olympiabewerbung für 2026 abgestimmt. Wie schätzen Sie die Stimmung ein?

Innauer: Die politische Diskussion bestimmen in nächster Zeit sicher näherliegende Themen als Olympia 2026. Das ist ein Dilemma. Dabei übersieht man manches Mal eine Chance, die man jetzt hat.

STANDARD: Gibt es ein Mobilisierungsproblem?

Innauer: Ich bin ja nicht beruflich involviert in die ganze Geschichte, ich bekomme auch nichts bezahlt dafür. Das, was ich tue, tue ich freiwillig, gerne und wenn es geht. Man spürt, dass die Politik das derzeit vielleicht nur nebenbei erwähnt. Zu einem anderen Zeitpunkt würde es deutlich stärker und auf mehreren Ebenen transportiert werden. Politiker haben jetzt natürlich das existenziellere Thema, gewählt zu werden.

STANDARD: Ist es bei den olympischen Skandalen überhaupt politisch opportun, sich für Spiele im eigenen Land einzusetzen?

Innauer: Das kann meines Erachtens nicht nachteilig sein. Wenn man es direkt nach Sotschi und ohne Agenda 2020 zur Senkung der Bewerbungskosten aufs Tapet gebracht hätte, und ohne dass man gemerkt hat, dass die Olympier wieder etwas in den Kernländern des Wintersports machen müssen, hätte man gesagt, ihr seid wahnsinnig, das passt nicht zu uns. Jetzt haben wir eine Entwicklung Richtung Bodenständigkeit. Mit einer gesellschaftlich verträglichen kann in die Bewerbung gegangen werden. Da kann sich ein Politiker durchaus dafür einsetzen. Dass sich wieder andere – auch aus politischem Kalkül – gegen die Bewerbung stemmen, ist normal.

STANDARD: Sie haben sich in einem Interview als olympisch befangen erklärt. Ist das ein Nachteil für einen Fürsprecher?

Innauer: Ich war bis vor gar nicht so langer Zeit negativ befangen, weil mir die Entwicklungen nicht gefallen haben. Jetzt sehe ich aber, dass man mit einem entsprechenden Commitment zur Selbstbeschränkung und mit einer entsprechenden Bewerbung unterstreichen kann, dass es wieder mehr um den Sport gehen soll, und nicht nur um das Geschäft, um die Inszenierung.

STANDARD: Wie ernst sind die guten Vorsätze der Olympier zu nehmen? Zuletzt floss viel Geld nur dafür an einen Bewerber, dass er vier Jahre wartet und einem anderen den Vortritt lässt. Oder ist das IOC auch in seinen Zwängen gefangen?

Innauer: So riesigen Zwängen sollten sie nicht unterliegen. Dank dieser starken Marke Olympia sollten sie unabhängig genug sein. Die Zwänge lagen eher darin, dass es keine Kandidaten mehr gab, vor allem für Winterspiele. Oder nur Kandidaten aus Ländern, mit denen der globale Sport nicht mehr glücklich war. In Sotschi, Pyeongchang und Peking gab und gibt es Spiele, die zu viele Gründe liefern, sie ein bisschen schief anzusehen. Sie müssen also an ihrem Image arbeiten, sie müssen näher zur Grundklientel des Sports. Man kann schon von einer Art Entwicklungshilfe sprechen und in Länder gehen, um Sportarten dort Fuß fassen zu lassen. Das hat eine Zeitlang einen Sinn. Aber wenn man merkt, dass Leere einkehrt, wenn die Olympischen Spiele weitergezogen sind, dann ist der Zweck nicht ganz erfüllt worden. Jetzt sehe ich schon die Möglichkeiten, dass man Spiele unter Bedingungen bekommen kann, die gesellschaftlich auch in einer Demokratie zu rechtfertigen sind. Und – was gerne übersehen wird -, dass man tatsächlich einen Nutzen daraus ziehen kann.

STANDARD: Und zwar?

Innauer: Auch einen finanziellen Nutzen. Vor allem aber vom Geist her. Eine internationale Großveranstaltung bringt vielen jungen Leuten, Bevölkerungsschichten und für die Wirtschaft hochinteressante Aufgaben. Es wird oft argumentiert, dass man das Geld gescheiter für etwas anderes einsetzen soll. Die 925 Millionen Dollar kriege ich aber nur, wenn ich Olympische Spiele ausrichte, die krieg ich nicht so, weil zum Beispiel die Universitäten mehr Geld brauchen würden. Man muss auch an die Jungen und deren Zukunft denken. Und dann komme ich erst zum Sport. Dort kommt meine Befangenheit zum Tragen. Olympische Spiele im eigenen Land erlebt zu haben wirkt ein Leben lang nach. Nicht nur für mich, sondern für Leute, die dort dabei waren, als Volunteers, als Soldaten, als Blumenmädchen, als Zuschauer. Man redet 40 Jahre darüber. Wenn die mich treffen, sagen sie: "Ich war in Innsbruck live dabei, als du g'hupft bist!"

STANDARD: Es wird lokal befragt, aber Auswirkungen hätte Olympia 2026 auf ganz Österreich. Sollte nicht die gesamte österreichische Bevölkerung befragt werden?

Innauer: Irgendwo schon, aber dann wären schnell die Einwände da, dass es klar ist, wenn die Wiener dafür sind, weil die ja auch nicht den Stress haben, wenn die Spiele da sind. Profitieren würden sie aber als Österreicher trotzdem davon.

STANDARD: Und mitzahlen ...

Innauer: Dafür gibt es ein wesentlich höheres Umsatzsteueraufkommen mit all den Geschäften, die da abgewickelt werden. Da wird viel refinanziert, das sind Kreisläufe. Es ist schon passend, dass man nur die Tiroler, die Innsbrucker abstimmen lässt, vor allem ganz Tirol, weil Innsbruck allein versucht sein könnte, zu sagen, uns geht es nicht schlecht, wozu brauchen wir das jetzt? Aber man muss auch an die Zukunft und ganz Tirol denken. Ein gutes Beispiel sind die Weltmeisterschaften in Seefeld 2019. Da stehen die Wintertrainingsschanzen des Skigymnasiums Stams und Tiroler Skiverbandes. Die hat man eben mit den Förderungen der Weltmeisterschaften super renovieren können. Diese Sachen stehen ja sowieso, aber die Renovierungen kann man mit so einem Rückenwind viel besser und großzügiger machen.

STANDARD: 2022 in China ist die olympische Dominanz vielleicht kein so großes Problem, die Einschränkungen im öffentlichen Leben oder die Ausschließlichkeitsklausel bei Sponsoren. Ist das für Tirol nicht anders?

Innauer: Man muss eine Zeitlang in Kauf nehmen, dass Olympia in Leben und Abläufe hineinspielen wird, dass sich der Einheimische darauf einstellen muss. Aber auf lange Sicht ist der Markenbildungsprozess und das, was übrig bleibt, hochgradig wertvoll. Sonst würden Roger Federer oder auch Marcel Hirscher nicht zu Olympia fahren. Die verzichten, genauso wie die großen Verbände, auf die Werbepräsenz für ihre Sponsoren. Auch in ihrer Interessenabwägung steht das Erlebnis weit vorne, und sie erwarten, dass sich der vorübergehende "Ausnahmezustand" am Ende doch rechnet.

STANDARD: Sie finden die Ausschließlichkeitsklausel sogar gut?

Innauer: Ob ich sie gut finde oder nicht, ich finde sie jedenfalls erstaunlich und einen Beweis dafür, dass bei Olympia so viel mehr an Kraft und an Wirkungsgrad drinnen steckt, dass sogar die erfolgreichsten Akteure des Profisports und ihre Manager, die sich alles gut überlegen, glauben, nicht ohne sie auskommen zu können. Auch ein Verband wie unser Skiverband kann darauf nicht verzichten, obwohl er bei eigenen Weltmeisterschaften deutlich mehr verdient. Darum geht es natürlich jetzt. Man wird viele Helfer aus Vereinen und Verbänden, die aber dann nicht, wie noch 1976, mit einem Anorak zufrieden sein werden, als Olympia noch ein "Ladenhüter" war. Die Bedingungen werden sicher rechtzeitig verhandelt werden.

STANDARD: Rechnen Sie mit dem positiven Ausgang der Befragung?

Innauer: Folgendes dazu: Meine Firma Innauer + facts hat sich zusammen mit einem Konsortium um die Betrauung mit der Machbarkeitsstudie beworben. Das war natürlich ein guter Auftrag, da ist es um 200.000 Euro oder so etwas gegangen. Wir wurden nicht ausgewählt. Jetzt könnte ich beleidigt sagen, gut, dann interessiert mich Olympia nicht, weil ich nichts verdiene dran. Trotzdem und sportlich unbeeindruckt erkenne ich die Chance in dem momentanen Zeitfenster. Und ich stelle mich als Olympionike der für mich positiven Sache zur Verfügung. Da riskieren wir momentan aus meiner Sicht nicht Kopf und Kragen, sondern das können wir wirklich machen.

Das IOC musste zurückrudern, sie wollen und müssen wieder einmal in einen traditionellen Ort gehen. Diese Zeitqualität und tolle Chance sollte man nicht leichtfertig vorübergehen lassen, weil man nur an den Nationalratswahlkampf denken muss. Die Spiele sind in neun Jahren. Die heute Zwölfjährigen können dort starten, die heute 15-Jährigen haben dann ihr Studium fertig und eine wundervolle Gelegenheit, bei Olympia internationales Flair zu schnuppern und ein Netzwerk zu knüpfen. Und zwar nicht im Internet, wo es sich unter Umständen sehr schnell auflöst, sondern indem sie Personen aus allen möglichen Ländern persönlich in Arbeitsprozessen kennenlernen. Das wird vielen Chancen bieten, die jetzt gar nichts davon wissen. Ob es so weit kommen kann, entscheiden jetzt deren Eltern. (Sigi Lützow – 23.9. 2017)