Bekommen österreichische Frauen wirklich doppelt so viel Pension wie deutsche Frauen? Im ORF-TV-Duell mit Neos-Chef Matthias Strolz sagte Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) am Donnerstag: "Wenn eine deutsche Frau in Pension geht, dann bekommt sie heute 600 Euro. In Österreich sind es 1.200 Euro mit dem System, das wir heute haben. Und das ist gut so."

Wie hoch sind die Frauenpensionen? Im Durchschnitt nicht so hoch, wie der Kanzler meinte – aber wenn man es auf Frauen mit langer Versicherungsdauer bezieht, hat er recht. Video: Maria von Usslar & Wolfram Leitner.
DER STANDARD

Ein Blick auf die Zahlen zeigt: Von einer Frauenpension von 1.200 Euro ist Österreich weit entfernt. Laut Statistik Austria lag die mittlere Frauenpension im Jahr 2016 bei 855 Euro pro Monat. Sieht man sich nur die Neuzugänge an, ist die Lage nicht viel rosiger. Eine Frau, die heute ihren Ruhestand antritt, kann mit 865 Euro inklusive Zulagen und Zuschüssen rechnen, wie aus einer Auflistung der Statistik Austria (2016, Median) hervorgeht. Dazurechnen muss man hier allenfalls noch das Pflegegeld oder andere Sonderzahlungen.

Nur bestimmte Frauen gemeint

Dem Kanzler ging es aber offenbar um etwas anderes: Er verglich die Pensionshöhe nach langer Berufstätigkeit. Er bezog sich also nur auf jene Frauen, die 30 bis 40 Versicherungsjahre vorzuweisen haben. Und hier liegt er richtig: Nach einer langen Versicherungsdauer beziehen Frauen in Österreich laut Pensionsversicherungsanstalt durchschnittlich 1.221 Euro. Das ist allerdings eine Minderheit: Laut Wirtschaftsforschungsinstitut haben nur 47 Prozent der Frauen zum Zeitpunkt des Pensionsantritts so viele Beitragsjahre angesammelt. Zum Vergleich: 89 Prozent der Männer haben 40 Beitragsjahre oder mehr. Der Grund: Frauen erbringen viel mehr Gratisdienstleistungen in Form von Betreuungs- und Haushaltsarbeit.

Gleiches mit Gleichem

Warum aber nennt der Kanzler Pensionszahlen, die für die breite Masse nicht repräsentativ sind? Aus dem Kontext der Diskussion wird es zumindest nachvollziehbar: Kern nannte die Zahlen, als über die Frage, ob mehr private Elemente ins Pensionssystem integriert werden sollen, diskutiert wurde. Die Neos fordern ja eine Stärkung privater und betrieblicher Vorsorge. Als Antwort darauf zog Kern das Beispiel Deutschland heran, wo Finanzmarktelemente mehr Gewicht im Pensionssystem haben. Da aber nur Gleiches mit Gleichem verglichen werden kann, habe Kern jeweils die Zahlen für Pensionen nach langer Versicherungsdauer gewählt, heißt es im Sozialministerium.

In beiden Ländern ist die Kluft zwischen Männerpensionen und Frauenpensionen hoch, wobei die Lage in Österreich noch etwas besser ist. Hier liegt die durchschnittliche Frauenpension bei 57 Prozent der Männerpension, in Deutschland bei 47 Prozent. (Maria Sterkl, 22.9.2017)