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ÖVP-Spitzenkandidat Sebastian Kurz warnt vor einer Einteilung in "gute" und "böse" Mitgliedsstaaten in der Flüchtlingsfrage.

Foto: reuters/INTS KALNINS

Wien – ÖVP-Obmann Sebastian Kurz fordert, das Mandat der EU-Grenzschutzagentur Frontex zu ändern. "Es braucht den Ausbau von Frontex und ein klares Mandat für Frontex, um die illegale Migration zu stoppen", sagte Kurz bei einem Hintergrundgespräch vor Journalisten am Freitag. "Damit die Grenzkontrollen innerhalb Europas wieder der Vergangenheit angehören, braucht es eine lückenlose Überwachung der EU-Außengrenzen."

Das Ziel müsse sein, dass die Menschen nach der Rettung zurückgestellt beziehungsweise an der Außengrenze gestoppt, versorgt und dann zurückgestellt werden, sagte der Außenminister.

Kurz präsentierte am Freitag einzelne Punkte aus dem dritten Teil seines Wahlprogramms, das kommenden Mittwoch unter dem Titel "Ordnung und Sicherheit" vorgestellt werden soll. Ein Aspekt soll dabei die Europapolitik sein. "Aus meiner Sicht bedeutet, heute ein überzeugter Europäer zu sein, sich nicht zufriedenzugeben mit dem Status quo, sondern sich auch an die Spitze der Veränderung in der Europäischen Union zu stellen", sagte Kurz.

Änderungsbedarf sieht er dabei in folgenden Punkten:

  • Grenzen: Wie erwähnt fordert Kurz mehr Geld für die Grenzschutzagentur Frontex. Grenzländer wie Italien und Griechenland sollen bei der Sicherung der Grenze nicht alleingelassen werden, alle Mitgliedsländer sollen sich finanziell beteiligen. Die EU-Außengrenze solle "lückenlos" überwacht werden. Migranten sollen an der Grenze aufgegriffen und in ihre Herkunftsländer "zurückgestellt" werden. Bisher hat Kurz hier auch immer Aufnahmezentren für Flüchtlinge in Nordafrika gefordert, wo der Asylstatus geklärt werden soll.

  • Niederlassungsfreiheit: Das Recht, sich überall niederzulassen, soll laut Kurz wieder "das werden, was es sein sollte". Jeder EU-Bürger solle in jedem EU-Land arbeiten dürfen, Anspruch auf Sozialleistungen – in Österreich die Mindestsicherung – sollen EU-Bürger aber erst nach fünf Jahren haben. Diese Forderung findet sich bereits in Teil eins des ÖVP-Wahlprogramms.

  • Subsidiarität: Das Prinzip, dass die Mitgliedsstaaten für alle Aspekte zuständig sein sollen, die sie selbst ausreichend Regeln können, will Kurz während der österreichischen Ratspräsidentschaft 2018 stärken. Der Fokus der EU solle auf großen Fragen wie Außenpolitik, Sicherheit, Wettbewerbsfähigkeit, Handel und Grenzschutz liegen. Die Mitgliedsstaaten sollen für Soziales, Gesundheit, Gesellschaft und Familie zuständig sein – das sind sie im Übrigen jetzt schon. Als Negativbeispiele nannte Kurz die Allergenverordnung der EU und die Regelung zur Verwendung des möglicherweise krebserregenden Stoffs Acrylamid in Pommes frites.

  • EU-Erweiterung: Kurz spricht sich für eine Beitrittsperspektive der Westbalkanstaaten aus. "Natürlich müssen alle die Vorgaben erfüllen." Der Außenminister ist weiterhin gegen einen Beitritt der Türkei.

  • Brexit: Kurz geht davon aus, dass die Austrittsverhandlungen mit Großbritannien während der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft abgeschlossen werden. "Es darf nicht attraktiver sein, außerhalb der Europäischen Union zu sein als in der Europäischen Union, aber wir wollen trotzdem eine Lösung finden, die für alle Seiten erträglich ist." Großbritannien sei dafür wirtschaftlich, politisch und militärisch für die Union zu wichtig. "Wir brauchen eine Zusammenarbeit."

  • EU-Budget: Mit dem Austritts Großbritanniens wird auch das EU-Budget sinken. Kurz spricht von einem Budgetloch von 14 Milliarden Euro. Es dürfe nicht erwartet werden, dass die Nettozahler innerhalb der EU dieses Loch stopfen. Stattdessen schlägt er Einsparungen vor. So solle der öffentliche Dienst reduziert werden und das EU-Parlament nur mehr einen statt zwei Standorte haben.

Zu möglichen Sanktionen gegen Polen aufgrund der dortigen Justizreform erklärte Kurz, dass sich alle Mitgliedsstaaten an die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und Demokratie halten müssten. Es dürfe keine "falschen Toleranzen" geben. Es gebe klare Mechanismen, und es sei gut, wenn die EU-Kommission diese nütze.

Innerhalb der EU stellt Kurz in der Frage der Flüchtlingspolitik aber eine Einteilung in "Gut und Böse" fest. Diese Gruppenbildung sei abzulehnen.

Im Zusammenhang mit der Ukraine-Krise und der Auseinandersetzung zwischen ukrainischen und prorussischen Separatisten in der Ostukraine sprach sich der Außenminister für den Einsatz von UN-Soldaten aus. "Die Idee einer Blauhelmmission in der Ostukraine sehe ich sehr positiv." Er kann sich dabei auch die Beteiligung österreichischer UN-Soldaten vorstellen. "Grundsätzlich kann eine solche Mission mehr Sicherheit für die Bevölkerung bringen."

Zu einer EU-Armee wollte sich Kurz nicht äußern. "Das ist ein Schlagwort, ich würde lieber über die Inhalte diskutieren." Österreich habe aufgrund der Neutralität, aber auch aufgrund "unserer faktischen Möglichkeiten" eine andere Ausgangslage als einige andere Staaten. Er befürworte aber eine intensivere Zusammenarbeit bei gemeinsamen Einkäufen und Anschaffungen im militärischen Bereich, "um sparsamer zu sein". (Lisa Kogelnik, 22.9.2017)