Jetzt dreht sich zu viel um die Frage "Ja, darf er denn das?", womit das "Projekt Ballhausplatz" zur Eroberung der Kanzlerschaft zu einer Frage der privaten Moral verengt wird, obwohl es zutiefst eine öffentlich-demokratische ist. Dazu fällt einem etwas ein und etwas auf. Es fällt einem ein, wie einst ein Bruno Kreisky die Übernahme des Ballhausplatzes während einer ÖVP-Alleinregierung zu planen begann, nämlich in größtmöglicher Offenheit. Unter erwünschter Beteiligung hunderter Experten auf verschiedenen Gebieten wurden monatelang Pläne für ein modernes Österreich diskutiert, beschlossen und selbstverständlich veröffentlicht. Nicht Kabinettsintrigen, sondern jedermann zugängliche Inhalte sollten die Veränderung herbeiführen, auch nicht vom Zaun gebrochene Neuwahlen, kaum zum Parteiobmann gewählt.

Und es fällt auf, wie hilflos, phasenweise kontraproduktiv die SPÖ im Wahlkampf auf die politische Herausforderung reagiert, als die Sebastian Kurz sich ausgibt, nachdem er vom Rücktritt Reinhold Mitterlehners nach eigener Aussage derart perplex war, dass er gar nicht anders konnte, als dessen Amt zu übernehmen. Einer musste es ja machen, die Strategiepapiere waren schon da, und hätte er es nicht gemacht, vergeblich wäre der ideologische Schweiß seiner Kabinettszuarbeiter vergossen gewesen. Seither bekommt die SPÖ zu spüren, was minutiöse Planung selbst in einer Partei ausmacht, die sonst eher auf den freien Markt setzt – und was, wenn es nur holpert, wo man Wahlkämpfe schon besser zu planen wusste. Trotz eines Bundeskanzlers als Spitzenkandidaten tut sie sich schwer, da hilft es auch nicht merkbar, wenn sich Doskozil mit Sobotka blaues Leder parfümiert. Wenn dann auch noch aus der eigenen Partei Papiere auftauchen, in denen dem Spitzenkandidaten wenig schmeichelhafte Eigenschaften zugeschrieben werden, hebt sich das von der diplomatischen Qualität der im Kabinett des Außenministers geleisteten Projektarbeit umso deutlicher ab.

Es ist schade, dass man sich in der Umgebung des Mannes, dem dieser ganze Aufwand galt, nun nicht so recht zum "Projekt Ballhausplatz" bekennen will. Verständlich zwar, aber nicht so sehr, weil es die lebenden Subventionen, denen die Öffentlichkeit das Projekt zu verdanken hat, nun von politikwissenschaftlichen Groschenzählern auf den Spendenbegriff gebracht werden. Davon ist Kurz sicher genauso überrascht wie einst vom Rücktritt Mitterlehners. Er könnte es aber als Dirty Campaigning abtun, ohne Schaden an seiner Seele zu nehmen.

Nein, man will mit dem Projekt so gut wie nichts zu tun haben, weil es den mühsam aufgebauten Markenkern Sebastian Kurz als den unschuldig strahlenden Phoenix beschädigt, der sich rein und spontan aus dem Sumpf der großen Koalition erhebt, um Österreich zu erlösen. Weniger naive Bürgerinnen und Bürger haben zwar längst erkannt, dass es damit nicht gar so weit her ist. Was in dem Projekt inhaltlich über Kurz hinausgeht, ist über weite Strecken freiheitlicher Inhalt. Doch auch wer an Kurz glaubt, wird kaum behaupten können, dass es sich bei Strache um einen Phoenix handelt. (Günter Traxler, 21.9.2017)