Wien – Mit Sorge und Kritik betrachten Wirtschaft und Industrie die am Mittwoch vom Nationalrat auf den Weg gebrachte Angleichung der Rechte von Arbeitern und Angestellten. Wirtschaftskammer-Generalsekretärin Anna Maria Hochhauser sprach von einer schweren Belastung für Klein- und Mittelbetriebe. Der Generalsekretär der Industriellenvereinigung Christoph Neumayer sieht eine "Husch-Pfusch-Wahlkampfaktion".

Für die Unternehmen sei mit hohen Belastungen in Höhe von mindestens 150 Millionen Euro und darüber zu rechnen, rechnete Hochhauser vor. Allein in Österreichs größter Arbeitgebersparte, dem Gewerbe und Handwerk, seien von 666.000 Vollzeit-Beschäftigten 430.000 Arbeiter. Und auch in Industrie und Tourismus wären deutliche Auswirkungen zu erwarten.

Wirtschaft fürchtet "Rosinenprinzip"

Um Beschäftigung in Österreich langfristig sichern und international wettbewerbsfähig bleiben zu können, müsse die Angleichung standortverträglich und beschäftigungsfördernd umgesetzt werden und dürfe nicht nach dem Rosinenprinzip erfolgen, meinte Neumayer. Außerdem mute es sehr seltsam an, dass einerseits Kollektivvertragsverhandlungen geführt würden, während bei der rechtlichen Angleichung von Arbeitern mit Angestellten die Arbeitgeberseite einfach übergangen werden solle.

Zufrieden ist hingegen die Gewerkschaft. Es sei durch nichts zu rechtfertigen, dass Arbeiter weniger lang ihren Lohn weiterbezahlt bekämen, wenn sie krank seien. Außerdem solle die Entgeltfortzahlung bei Arbeitsverhinderungen für Arbeiter aus wichtigen persönlichen Gründen unabdingbar sein, meinte der Leitende ÖGB-Sekretär Bernhard Achitz in einer Aussendung.

Beschluss noch vor der Wahl

Im Zuge der gestrigen Nationalratssitzung war mit den Stimmen von SPÖ, Freiheitlichen und Grünen ein Fristsetzungsantrag angenommen werden, der einen Beschluss der Angleichung noch vor der Wahl ermöglicht. Der Antrag sieht unter anderem eine Anpassung der Kündigungsfristen von Arbeitern an jene der Angestellten vor. Bezüglich des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung bis zur Dauer von acht Wochen gibt es sogar eine Verbesserung auch für Angestellte. Der Anspruch soll nämlich bereits nach einjähriger Dauer des Dienstverhältnisses entstehen und nicht wie bisher erst ab fünf.

"In der Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts sind einheitliche Regelung für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer notwendig, die von einem Arbeitgeber wirtschaftlich abhängig sind und deren Arbeitsverträge auf einem privatrechtlichen Vertrag beruhen. Auch die Benachteiligung von Menschen mit freien Dienstverträgen muss bald ein Ende haben", fordert Achitz. (red, 21.9.2017)