Vom Kfz-Verkehr auf der Friedrichstraße, die in die Wienzeile mündet, lassen sich Salat und Kräuter nicht beeindrucken. Mithilfe spezieller Leuchten genießen sie auch abends noch Tageslicht.

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Ein Projekt aus dem Vorjahr: Jeschaunig nutzte die Abwärme von zwei Kühlhäusern in Graz, um in einer großen Blase Bananen zu ziehen.

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Wien – An der stark befahrenen Friedrichstraße im ersten Bezirk Wiens steht ein Gewächshaus. Es ist rund fünf Quadratmeter groß und gerade hoch genug, dass man gebückt zwischen den Kohlrabipflanzen und Salaten stehen kann, die darin sprießen. Es befindet sich nicht etwa am Gehsteig, sondern wurde einem der Lüftungsschächte aufgesetzt, die wie selbstverständlich zum Stadtbild gehören. Dieser dient genauer gesagt dazu, die Abwärme aus den gastronomischen Betrieben in der U-Bahn-Station Karlsplatz hinauszuleiten.

Markus Jeschaunig, Künstler und Architekt, wollte diese Abwärme nicht verloren wissen. Um "ungenutzte Energiepotenziale" in der Stadt sichtbar zu machen und zu zeigen, wie man diese sinnvoll verwenden könnte, errichtete er im Rahmen der Stadtfabrik des Museums für angewandte Kunst (Mak) für die diesjährige Vienna Biennale ein Glashäuschen mit dem Namen "Urban Oasis". Es wird gemeinsam mit dem Vertical Farm Institute betrieben.

Urbaner Wintergarten

"Unsere Konsumkultur basiert auf Ketten, nicht Kreisläufen", sagt Jeschaunig. Er habe zeigen wollen, dass auch anderes möglich ist: etwa Lebensmittel im Winter in der Stadt anzubauen, indem man überschüssige Energie auffängt – "synergetischen Urbanismus" nennt Jeschaunig das.

Sein Prototyp arbeitet autark. Ein Solarpanel lädt eine Batterie, mit der nach Sonnenuntergang für mehrere Stunden Tageslichtlampen betrieben werden können. Die Abwärme aus dem Luftschacht wärmt die Mantelhülle des Gewächshauses und so auch den Innenraum – "wie eine Jacke, durch die permanent warme Luft durchfließt", erklärt er. Im Fachjargon spricht man von aktiver Wärmedämmung. 15 bis 16 Grad Celsius könnten im Herbst und Winter im Glashaus herrschen. Messungen sollen darüber mehr Aufschluss geben. Beim Prototyp sei es ihm noch nicht um die perfekte Energiebilanz gegangen, sondern um die Bewusstseinsbildung und das Sammeln von Daten. "Ich will Fragen stellen, anstatt gleich zu bauen" – etwa was die Materialien betrifft. Der Prototyp besteht aus Holz, Polycarbonat und Plexiglas.

In großem Stil

Jeschaunig kann sich vorstellen, das Abwärmegewächshaus in großem Stil aufzuziehen: auf den Ablüftungssystemen von Logistikzentren zum Beispiel. Nicht immer ist das jedoch (bedenkenlos) möglich, etwa wenn Schächte als Rauchabzüge dienen.

Auch Regen zum automatischen Bewässern könnte in dem Häuschen aufgefangen werden. Jeschaunig fand es aber "sympathischer", die Bildung einer Community anzuregen. Wie bei einem Stadtgartenprojekt müssen Menschen zum Gießen vorbeikommen. Bis mindestens 11. November soll das Glashaus noch gegenüber vom Karlsplatz stehen. (Christa Minkin, 22.9.2017)