Die Menschenrechtskonvention stamme aus den Fünfzigerjahren und sei deshalb veraltet, meint Norbert Hofer – doch er irrt.

Foto: Matthias Cremer

Im TV-Duell mit der grünen Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek sorgte FPÖ-Listenzweiter Norbert Hofer mit der Behauptung für Aufsehen, die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) erlaube die Todesstrafe. Diese sei in der EMRK "mitverankert", es dürften also auch EU-Staaten die Todesstrafe "umsetzen", erklärte Hofer in der ORF-Sendung am Montagabend. Ist das wahr? Ein klares Nein – und auch der blaue Wunsch nach einer Änderung des Vertragstextes wäre so kaum vorstellbar, wie eine Nachfrage bei Juristen ergab.

Hofers Behauptung ist falsch. Ein Video für den Überblick von Maria von Usslar und Wolfram Leitner.
DER STANDARD

"Kategorisch verboten"

Spricht man hierzulande von der Menschenrechtskonvention, dann meint man damit alle Bestandteile der Konvention, die in Österreich gültig sind. Und das sind neben der Stammfassung der Konvention, die von 1950 stammt, auch sämtliche Zusatzprotokolle. In zwei Zusatzprotokollen ist ein Verbot der Todesstrafe festgeschrieben, im 6. Protokoll teilweise, im 13. Protokoll hingegen ausnahmslos. Die Todesstrafe ist demnach "kategorisch und unmissverständlich" verboten, sagt Stefan Griller, Europarechtsprofessor an der Uni Salzburg. Wenn Hofer sagt, die Todesstrafe sei "in der Konvention mitverankert", ist das also falsch. Denn, so erklärt die Völkerrechtsprofessorin Ursula Kriebaum im STANDARD-Gespräch, "mit der Konvention meint man immer alles" – also Vertragstext plus Zusatzprotokolle.

Es gibt übrigens keinen EU-Mitgliedsstaat, in dem das 13. Zusatzprotokoll nicht gültig wäre. Auch die zweite Behauptung Hofers, dass ein EU-Mitgliedsstaat die Todesstrafe wiedereinführen könnte, ist somit unwahr.

Veraltet? Nein

Hofer wies in seiner Einleitung darauf hin, dass die EMRK aus den 50er-Jahren stamme – "eine völlig andere Zeit mit anderen Herausforderungen". Er deutete an, dass die Konvention veraltet sei. Auch das entspricht laut Kriebaum nicht den Tatsachen.

Die Konvention sei im Lauf der Jahre nämlich "ständig adaptiert" worden – eben durch die erwähnten Zusatzprotokolle. Warum aber bringt man diese Anpassungen nicht im Grundtext unter, sondern ergänzt diesen durch zusätzliche Protokolle?

Ganz einfach: Es ist leichter umsetzbar und weniger riskant. Wollte man nämlich den Vertragstext selbst ändern, müssten damit alle 47 Staaten, die die EMRK ratifiziert haben, einverstanden sein. Die Zusatzprotokolle verhindern, dass sich ehrgeizigere Staaten durch weniger ambitionierte blockieren lassen, und erlauben es, in bestimmten Staaten höhere Menschenrechtsstandards festzusetzen.

Fortschritt wäre "blockiert"

Hätte man, Hofers Gedanken folgend, das Verbot der Todesstrafe im Vertragstext der EMRK verankert, dann wäre daraus möglicherweise gar nichts geworden – schließlich weigert sich Russland bis heute hartnäckig, ein absolutes Verbot der Todesstrafe einzuführen. Man entscheidet sich also bewusst gegen die von der FPÖ vorgeschlagene Methode, die Stammfassung der EMRK abzuändern – "weil der Fortschritt dann für alle blockiert wäre", wie Griller erklärt. (Maria Sterkl, 20.9.2017)