Die Verteilungsunterschiede zwischen hohem bis niedrigem Einkommen sind erwartungsgemäß sehr groß.

Foto: apa/Denis Charlet

Wien – Kaum ein Sachthema wird im Wahlkampf so hitzig diskutiert wie Verteilungsfragen. Wer profitiert wie viel von staatlichen Sozialleistungen in Österreich, und was soll oder muss sich in den kommenden Jahren ändern? Angesichts der vielen Reformdebatten kann es hilfreich sein, einen Blick auf den Status quo zu werfen. Zuletzt hat der STANDARD an dieser Stelle die Ergebnisse einer Wifo-Untersuchung präsentiert.

Ein Forscherteam hat sich dabei angesehen, wie stark die Haushalte von Steuern und Abgaben belastet werden. Das Ergebnis war eindeutig. Arme Haushalte zahlen nahezu gleich viel von ihrem Einkommen an den Staat wie reiche. Österreich ähnelt einem Land mit einer Flat Tax, und zwar dann, wenn man nicht nur die progressive Lohnsteuer, sondern auch die Mehrwertsteuer und alle Sozialabgaben miteinbezieht.

Drei Kategorien

Bei den Staatsausgaben ist das anders, wie ein Blick in den zweiten Teil der Wifo-Analyse zeigt. Die Ökonomen haben die Haushalte zunächst in drei Kategorien unterteilt: jene mit hohen, mittleren und niedrigen Einkommen. Die Verteilungsunterschiede sind erwartungsgemäß sehr groß, auf die reichsten Haushalte entfallen zunächst gut 60 Prozent der Einkommen. Danach haben sich die Ökonomen angesehen, welche Haushalte von den verschiedenen staatlichen Geldleistungen profitieren. Unter diese fallen typischerweise die Mindestsicherung, aber auch Familienbeihilfen und Zahlungen aus der Arbeitslosenversicherung. Die Geldtransfers haben zweifelsfrei eine stark umverteilende Wirkung von oben nach unten (siehe Grafik). Das ärmste Drittel der Haushalte bezieht 60 Prozent der Transfers. Viele der erwähnten Leistungen stehen nur bei ganz bestimmtem Bedarf, etwa weil eine Armutsgefährdung vorherrscht, zu.

Der zweite große Brocken sind die Sachleistungen. Der Staat finanziert ja Schulen, Spitäler, Ambulanzen, Universitäten, Kindergärten. Dabei lässt sich errechnen, welche Haushalte am stärksten von Leistungen aus dem Gesundheits- und Bildungssystem profitieren. Die Umverteilungswirkung ist hier deutlich geringer als bei den Geldleistungen.

Das reichste Drittel der Haushalte erhält immerhin 29 Prozent aller staatlichen Sachleistungen. Auf das mittlere Drittel entfallen 34 Prozent der Leistungen, auf das unterste Drittel 37 Prozent. "Viele der Realtransfers sind einkommensunabhängig, kommen also allen zugute", sagt die Wifo-Ökonomin Christine Mayrhuber.

Großes Stück für Reiche

Zudem gibt es bestimmte Leistungen, von denen wohlhabendere Haushalte mehr profitieren. Kinder aus reicheren Familien gehen tendenziell länger in die Schule und besuchen öfter eine Universität.

Während die politischen Debatten der vergangenen Monate stark auf Geldleistungen fokussiert waren, etwa auf die Frage, welche Sozialleistungen In- und Ausländern zustehen sollen, zeigt sich, dass die Sachleistungen einen sehr großen Brocken der Ausgaben ausmachen. Laut Statistik Austria gab die öffentliche Hand im vergangenen Jahr 18,8 Milliarden Euro für Bildung aus. Für Gesundheit, also allem voran die Versorgung von Patienten in Spitälern und Ambulanzen, waren es 26,5 Milliarden Euro. Die Kosten für Sozialhilfe, Mindestsicherung und Mietzinsbeihilfen beliefen sich auf 2,6 Milliarden.

Pensionen und Straßen

Zu den Wifo-Daten gilt es ein paar Hinweise zu geben. Nicht als Sachleistungen eingerechnet wurden jene Vorteile, die Haushalten durch die Nutzung öffentlicher Infrastruktur (Straße, Bahn, Flughäfen) zugutekommen. Das ist ein sehr großer, aber statistisch schwer zu erfassender Brocken.

Pensionen wiederum wurden nicht als Sozialleistung verbucht, sondern zählen in der Wifo-Analyse zu den Primäreinkommen der Haushalte. Das liegt daran, dass Pensionisten in der Regel ihr Leben lang arbeiten und Beiträge bezahlen. Pensionszahlungen sind also in dieser Betrachtung eine Art in der Vergangenheit vorenthaltene Lohnzahlung. Laut Wifo-Ökonomen wäre es daher verzerrend, sie als Sozialtransfers zu zählen. Zudem sei es schwierig, etwas über die Verteilungswirkung von Pensionszahlungen zu sagen: Das Wifo hat sich Haushaltseinkommen nämlich nur in einem Jahr angesehen, nicht aber im Zeitverlauf. Auf rund 19 Milliarden Euro beliefen sich im vergangenen Jahr die staatlichen Zuschüsse zu den Privat- und Beamtenpensionen.

Vergleicht man abschließend die Einkommen vor und nach staatlicher Umverteilung, sieht man die Wirkung der öffentlichen Transfers von oben nach unten deutlich. Wobei es interessant ist, dass sich bei Haushalten im mittleren Einkommensfeld am wenigsten tut: Diese Haushalte verfügen vor und nach staatlichen Leistungen über einen ähnlich großen Teil des Kuchens, auch wenn es häufig heißt, der Mittelstand trage mit Abstand die größte Last im Staat. (András Szigetvari, 20.9.2017)