Wien – Das Pfanzengift Rizin wird aus der Samenschale der Pflanze Ricinus communis gewonnen, die in so manchen Vorgärten und Parkanlagen wächst. Einmal in den menschlichen Organismus gelangt, entfaltet es seine toxische Wirkung, indem es in den Zellen die Proteinfabriken zerstört, die sogenannten Ribosomen. Bereits winzige Dosen Rizin können innerhalb von 36 bis 72 Stunden tödlich sein, weshalb es in der Vergangenheit immer wieder bei Attentaten als Biowaffe eingesetzt wurde . Seit Jahrzehnten sind Wissenschafter auf der Suche nach einem Gegengift.

Nun haben Wiener Wissenschafter einen möglichen Weg gefunden, Zellen immun gegen das Pflanzengift Rizin zu machen. Die Forscher am Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) der Akademie der Wissenschaften identifizierten jene zwei Gene, die Rizin so tödlich machen.

Zucker bereitet den Weg

Wie die IMBA-Forscher im Fachblatt Cell Researc berichten, liegt der Schlüssel bei Rizin im Zucker. Sie identifizierten die zwei Gene Fut9 und Slc35c1, die für die tödliche Wirkung von Rizin verantwortlich sind, indem sie dem Gift Zugang zum Transportsystem der Zelle gewähren. So gelangt es zu den Ribosomen, die es schließlich zerstört.

Fut9 und Slc35c1 regulieren einen besonderen Zuckerstoffwechsel in der Zelle. Der essenzielle Einfachzucker Fucose wird an Proteine gebunden und kann so im Nachhinein deren Form und Funktion verändern. Da Fucose auch an die Proteine der Zellwand bindet, hat sie auch eine wichtige Rolle für Kommunikation und Transport zwischen Zellen und deren Umgebung.

Transportweg abgeschnitten

"Ein Blockieren der Gene – zum Beispiel durch ein künstlich hergestelltes Molekül – bringt den Transport von Rizin in den Zellen durcheinander und es gelangt erst gar nicht an die Orte, wo es so großen Schaden anrichten kann. Denn dafür braucht das Gift eine charakteristische Zucker-Signatur an der Zellwand, an die es binden kann," erläuterte Jasmin Taubenschmid, Doktorandin am IMBA.

Die Forschung brachte auch neue Erkenntnisse über die Liaison von Proteinen und Zucker, die für eine Vielzahl von fundamentalen biologischen Prozessen eine Rolle spielt. "Bisher hat man Proteine und Zucker separat erforscht. Tatsächlich ist vor allem deren Interaktion spannend und liefert uns eine zusätzliche Ebene an Informationen", betonte der Proteinforscher Johannes Stadlmann.

Patient mit seltenem Gendefekt

Die Universitätskliniken Münster und Heidelberg stellten dem IMBA Zellproben eines Patienten zur Verfügung, bei dem aufgrund eines sehr seltenen Gendefekts der Fucose-Stoffwechsel nicht funktioniert. Er wäre womöglich immun gegen Rizin, ohne diesen Zucker ist die Biowaffe nämlich nicht giftig. "Die Erforschung seltener Erkrankungen führt oft zu erstaunlichen Erkenntnissen, die einem großen Kreis an Menschen nützen kann", sagte Josef Penninger, Wissenschaftlicher Direktor des IMBA. In dem Fall habe dies wesentlich dazu beigetragen, die Idee einer präventiven Therapie gegen Rizin-Vergiftungen entstehen zu lassen. (APA, red, 19.8.2017)