Die Schlacht am am Kahlenberg gegen die Osmanen war der größte militärische Erfolg von Polenkönig Jan III. Sobieski. Seine Rolle im Türkenkrieg war in den vergangenen Jahrhunderten unterschiedlich bewertet worden.

Foto: Frans Geffels/Badisches Landesmuseum

Wien – Im März 1683 hatten sich Habsburger-Kaiser Leopold I. und der Polenkönig Jan III. Sobieski mit einem Vertrag verpflichtet, einander im Bedrohungsfall militärischen Beistand zu leisten. Sobieski kam daher wenige Monate später mit seinen Truppen dem von den Osmanen belagerten Wien zu Hilfe und führte in Abwesenheit des Kaisers, der aus der Stadt geflohen war, bei der Schlacht am Kahlenberg am 12. September den Oberbefehl über das gesamte Entsatzheer. Die Leistung von Sobieski wurde von Historikern immer wieder neu und auch kontrovers bewertet. Wie die Darstellung des "Türkenbezwingers" mit politischen Interessen zusammenhängt wird nun bei einer Tagung in Wien diskutiert.

"Jede Epoche schreibt ihre eigene Geschichte", sagte Johannes Feichtinger vom Institut für Kulturwissenschaften und Theatergeschichte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Dies gälte auch für die Historisierung des Polenkönigs Jan III. Sobieski, dem "Befreier Wiens".

Sobieskis geschmälerter Beitrag

Der siegreiche König wurde laut Zeitzeugen in Wien herzlich empfangen, als er am 13. September in die Stadt einzog. Diese positive Einstellung halte sich bis heute bei der Wiener Bevölkerung, so Feichtinger. Anders verhielte es sich in der Geschichtsschreibung: Nachdem im 18. Jahrhundert die Territorien des Polnisch-Litauischen Reiches auf Preußen, das Russische und das Habsburgische Reich aufgeteilt wurden, habe sich seine Rolle in der Darstellung österreichischer Historiker verschlechtert.

Dies hänge mit dem Erstarken nationaler Bewegungen zusammen, die eine Bedrohung für die Donaumonarchie darstellten: "Im 19. Jahrhundert wurde Sobieski von polnischen Nationalisten zur Identifikationsfigur erhoben", erklärte Feichtinger. Für Österreich-Ungarn, das über Galizien und Krakau herrschte, galt es hingegen, die Unabhängigkeitsbestrebungen zu unterdrücken, und das Bild, das Historiker von Sobieski zeichneten, verschlechterte sich massiv. "Sobieski wurde zum Spielball von unterschiedlichen Nationalismen", fasste der Historiker zusammen.

Auch nach dem Zerfall der Donaumonarchie sei Sobieskis Leistung bei der Schlacht am Kahlenberg von Historikern zunehmend geschmälert worden, in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg habe man ihm sogar jede Bedeutung abgesprochen: "Damals war der Aufbau eines Österreich-Bewusstseins wichtig. Da Polen in den 1950er Jahren unter stalinistische Herrschaft geraten war, durfte ein polnischer König in der österreichischen Geschichte keine Rolle mehr spielen", sagte Feichtinger.

Annäherung an die Realität

Zu einer weiteren Verschlechterung der wirtschaftlichen und politischen Beziehungen kam es nach Niederschlagung der Solidarnosc-Bewegung 1981 und der daraufhin einsetzenden Flucht vieler Polen nach Österreich. Erst zum 300. Jahrestag der Schlacht am Kahlenberg 1983 sei es wieder zu einer Annäherung des Geschichtsbildes gekommen. Man habe damals die integrative Funktion der gemeinsamen Geschichte genutzt, um die freundschaftlichen Beziehungen zu betonen, erklärte der Historiker.

Sobieski sei ein Beispiel für die Funktionalisierung einer historischen Figur, deren politische Vereinnahmung auch zu einem globalen Phänomen geworden sei, so Feichtinger. Seit dem 11. September 2001 werden auf rechtsextremen Internet-Seiten Bilder des Feldherrn zu Pferde vor den einstürzenden Türmen des World Trade Center gezeigt und Sobieski als "Retter des Abendlandes" dargestellt. Auch in Österreich vereinnahmen die rechtsextremen "Identitären" den Polenkönig, etwa mit T-Shirts mit dem Aufdruck "Spirit of 1683" oder erst kürzlich mit einer Kundgebung auf dem Kahlenberg.

Zwei Dynastien im Krieg

Mit historischen Fakten hätten diese Interpretationen nichts zu tun: "Bei dem Krieg gegen die Osmanen standen sich zwei Dynastien mit unterschiedlichen geostrategischen und ökonomischen Interessen gegenüber", so der Historiker. "Die Vorstellung eines Religions- oder Zivilisationskrieges wird wie so oft nur vorgeschoben, am 12. September 1683 fiel jedenfalls keine Entscheidung über die Herrschaft von Kreuz oder Halbmond in Zentraleuropa." Aufseiten des Habsburger-Reiches hätten Katholiken, Protestanten und ausländische Kontingente gekämpft, unter den Osmanischen Besatzern sei zwar ein entscheidender Teil muslimischen Glaubens gewesen, aber auch viele Christen.

"Da Sobieski auch heute noch als Figur für radikale Ideen dient, ist es wichtig, seine Darstellung wissenschaftlich zu reflektieren und gemeinsam zu verhandeln", betonte Feichtinger. "Denn Geschichtsschreibung ist immer auch Ausdruck gesellschaftlicher Verhältnisse und Anforderungen."

Vom 19. bis 20. September widmet sich eine Tagung der Österreichischen und der Polnischen Akademie der Wissenschaften mit dem Titel "Jan III. Sobieski – polnischer Nationalheld und Sieger von Wien. Geschichte, Nachleben und Verklärung" der Historisierung des Polenkönigs. Die Ausstellung "Jan III. Sobieski. Ein polnischer König in Wien" des Belvedere ist noch bis 1. November im Winterpalais zu sehen. (APA, red, 23.9.2017)