Cambridge/Wien – Bei der Bezeichnung von Farben gibt es erstaunliche Unterschiede zwischen den Sprachen: Obwohl wir theoretisch Millionen von Farbnuancen unterscheiden können, kommen manche Sprachen nur mit drei Kategorien aus, die in den Industrieländern haben meist im Schnitt rund ein Dutzend Farbnamen.

Russen sehen Blau "differenzierter"

Diese Unterschiede haben einige Studien angeregt, die erforschten, ob sich die höhere sprachliche Differenzierung auch in einer feineren Wahrnehmung niederschlägt, was eine Untersuchung über die Wahrnehmung der Farbe Blau bestätigte. Im Russischen gibt es eigene Begriffe für verschiedene Blautöne, im Englischen und Deutschen nicht. Tatsächlich scheinen sich Russen leichter zu tun, verschiedene Blautöne zu unterscheiden als Deutsche oder Briten.

Wissenschafter um den Gehirnforscher Edward Gibson (MIT) gingen in ihrer im Fachblatt "PNAS" veröffentlichten Untersuchung einer etwas anderen Frage nach: Sie wollten nicht wissen, wie unsere Sprache die Wahrnehmung von Farben prägt, sondern für welche echten Farbbereiche es in den verschiedenen Sprachen die "genauesten", das heißt: treffsichersten Bezeichnungen gibt.

Nur Rot, Schwarz und Weiß

Zu diesem Zweck stellten die Forscher 80 Farbchips quer durch das gesamte Spektrum her und befragten dann Testpersonen, die drei in drei sehr verschiedene Muttersprachen zuhause sind: in Englisch. Spanisch oder Tsimané, das in einer abgelegenen Region des Amazonas-Regenwalds in Bolivien gesprochen wird. Die Angehörigen dieses Volks kennen allem Anschein nach nur die drei Bezeichnungen für Rot, Weiß und Schwarz. Weniger klar ist, wie sie gelbe, blaue und grüne Farbtöne bezeichnen.

Blau ist keine warme Farbe

Bei den Tests mussten 40 Tsimané-Sprecher den Farbchips die Farbbezeichnungen zuordnen. Ganz ähnliche Tests machten die Forscher mit englisch- und spanischsprachigen Probanden. Das Ergebnis fiel in allen drei Sprachen eindeutig aus: Begriffe für "kühlere" Farben (also Grün- und Blautöne) bezeichneten in allen drei Sprachen viel mehr Farbnuancen und waren weniger eindeutig als Begriffe für "wärmere" Farben.

Der sogenannte Munsell-Farbchip zeigt, welche Farben am effektivsten kommuniziert werden: Jede Zeile steht für eine Sprache, die Farbtöne von links nach rechts geben die Reihenfolge der Farben an, die von möglichst vielen Vertretern der Sprache mit einer gleichen Farbbezeichnung versehen werden. Je wärmer die Farbe, desto eindeutiger ist die Farbbezeichnung.
Foto: Gibson et al., MIT

Für diese steht uns ein differenzierteres Vokabularium zur Verfügung, und Russisch scheint da wohl eine Ausnahme zu sein. Denn dieses Muster fand sich auch in Daten des World Color Survey, bei dem ähnliche Tests für 110 Sprachen gemacht wurden, die in nicht-industrialisierten Längern gesprochen werden.

Das Ganze noch einmal mit sehr viel mehr Sprachen. Das Muster zeigt sich hier umso klarer.
Foto: Richard Futrell

Wärmere Farben stehen im Vordergrund

Die Forscher liefern auch eine Erklärung für das allem Anschein nach universelle Phänomen mit: Sie zogen dafür 20.000 Fotos heran, die sie danach analysierten, welche Farmen darauf wo zu sehen waren. Dabei zeigte sich, dass kühlere Farben im Normalfall im Hintergrund auftauchten, während die Objekte im Vordergrund meist warme Farbtöne hatten. Entsprechend geben wir diesen auch in unserer Kommunikation eine größere Bedeutung, während kältere Farben nicht so wichtig scheinen. (Klaus Taschwer, 19.9.2017)