Wie – und wie lange – werden wir in Zukunft arbeiten? Nicht nur für die neue Regierung wird das eine wesentliche Frage sein, sondern auch für die knapp 4,2 Millionen Erwerbstätigen in Österreich. In den Wahlprogrammen finden sich teilweise sehr ausführliche Konzepte zu Arbeitszeit und Arbeitsrecht.

Am prominentesten kommt dabei der Zwölf-Stunden-Tag vor. Wir erinnern uns: Bis Ende Juni sollten sich die Sozialpartner bei Mindestlohn und Flexibilisierung der Arbeitszeit einigen. Am Ende gab es eine Übereinkunft zum Mindestlohn von 1.500 Euro brutto (Stufenplan bis 2020), bezüglich der Arbeitszeit konnten sich Vertreter von Arbeiterkammer, Gewerkschaftsbund, Wirtschaftskammer und Landwirtschaftskammer aber nicht einigen.

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Ein Uhrmacher trägt ein großes Exemplar in Frankfurt über die Straße.
Foto: AP/Frank Rumpenhorst

Manche Parteien verstehen Flexibilisierung aber auch nach unten – und fordern eine Arbeitszeitverkürzung. Ganz allgemein geht es beim Thema Arbeitszeit natürlich um die Verteilung von Arbeit, weswegen auch Teilzeit und Vereinbarkeit in vielen Programmen in einem Atemzug mit der Arbeitszeit genannt werden.

Im März – sowohl Reinhold Mitterlehner als auch Eva Glawischnig waren noch in ihrem Amt und kein Neuwahltermin bekannt – bat die Politikplattform "Neuwal" alle Parlamentsparteien um ihre Meinung zum Zwölf-Stunden-Tag. Mit den kurzen Statements ergänzen wir die Infos aus den Parteiprogrammen:

ÖVP: Ein Konto für die Arbeitszeit

Die ÖVP schreibt in ihrem Programm: "Wir brauchen mehr Flexibilität bei der Arbeitszeit, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer das gemeinsam wollen." Umgesetzt beziehungsweise abgerechnet werden soll mit einem sogenannten Zeitwertkonto. Es handelt sich um eine Art Arbeitszeit-Sparbuch: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollen dadurch "selbst entscheiden können, welche Gehaltsbestandteile, Überstunden, Zulagen, Prämien oder Sonderzahlungen sie sich steuerbegünstigt auf ein Konto überweisen lassen, um sich später eine Auszeit ohne Abstriche leisten zu können. Dabei darf es zu keinen Verschlechterungen für den Arbeitnehmer kommen. Wofür diese Auszeit verwendet wird, bleibt der oder dem Einzelnen überlassen."

Das bedeute keine Erhöhung der regulären Arbeitszeit und auch keinen Zwölf-Stunden-Tag als neue Regelarbeitszeit, sondern "einfach eine betrieblich einvernehmliche und flexiblere Gestaltung sowohl im Sinne der persönlichen und familiären Planung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wie auch zur Erfüllung der Auftragssituation von Unternehmen".

Elisabeth Köstinger ist sei Mai Generalsekretärin der ÖVP.
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Das war freilich nicht immer so: Im Jänner hatte der Wirtschaftsbund den Startschuss für eine Kampagne zur Arbeitszeitflexibilisierung gegeben (mit Unterstützung der Freiheitlichen Wirtschaft). Später hatte auch der damalige ÖVP-Chef Mitterlehner dafür plädiert, per Gesetz die Höchstarbeitszeit pro Tag in Ausnahmesituationen auf zwölf Stunden zu erhöhen.

Ganz allgemein spricht sich die ÖVP für eine Stärkung der Betriebsvereinbarungen aus: "Im Sinne der Subsidiarität sind wir überzeugt, dass man auf betrieblicher Ebene am besten weiß, was gut für alle Beteiligten ist, und dies in Form der betrieblichen Sozialpartnerschaft vereinbart." Als Vorbild wird im Programm Deutschland genannt, wobei das aktuellste Beispiel für die Forcierung von Betriebsvereinbarungen eher Frankreich wäre.

SPÖ: Flexibilisierung im Sinne der Arbeitnehmer

In ihrem "Plan A" widmet sich die SPÖ dem Thema Arbeitszeit am ausführlichsten. Die Forderung eines generellen Zwölf-Stunden-Tages sei ein "Rückschritt ins 18. Jahrhundert", heißt es dort. Das Arbeitszeitgesetz sei heute schon sehr flexibel und lasse zahlreiche Ausnahmen zu, um auf wirtschaftliche Notwendigkeiten reagieren zu können. Eine Flexibilisierung der Arbeitszeit müsse auch in Hinblick auf die Interessen der Arbeitnehmer diskutiert werden, denn: "Vollzeitbeschäftigte arbeiten im Schnitt 41,5 Stunden pro Woche. Ginge es nach ihnen, wäre das Arbeitszeitvolumen geringer und anders verteilt." Rund 610.000 Arbeitnehmer würden gerne ihre Arbeitszeit verkürzen – gleichzeitig viele der rund 450.000 teilzeitbeschäftigten Frauen aufstocken. Mehr als eine Million Menschen seien daher mit ihrer Arbeitszeit nicht glücklich, weshalb man mittelfristig über Arbeitszeitverkürzung nachdenken müsse.

Hier nennt die SPÖ zwei Maßnahmen: "Bei Gleitzeit sollen zwölf Stunden tägliche Arbeitszeit möglich werden, jedoch nur, wenn als Ausgleich längere zusammenhängende Freizeitblöcke genommen werden können." Überstundenzuschläge für jede geleistete Stunde Arbeit sollen bleiben. Und zweitens: das Recht auf Änderung des Arbeitszeitausmaßes (Wechsel von Vollzeit zu Teilzeit und umgekehrt, Änderung des Teilzeitausmaßes et cetera). Dieses Modell solle ein Recht auf unterschiedlich ausgestaltete Teilzeitmodelle bieten: Elternteilzeit/-karenz, Pflegeteilzeit/-karenz, Bildungsteilzeit/-karenz und Wiedereingliederungsteilzeit. Das Wahlarbeitszeitmodell soll ab einer bestimmten Betriebsgröße und einer bestimmten Beschäftigungsdauer gelten.

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler: Arbeitszeitflexibilisierung nicht auf Rücken der Arbeitnehmer austragen.
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Auch die Frage der ständigen Erreichbarkeit für den Arbeitgeber wird im Plan A behandelt, weil sie oft zu Arbeit in der Freizeit führe. Das wird abgelehnt: "Um dem Arbeitnehmer ungestörte Freizeit und Erholung zu sichern, ist im Arbeitszeitrecht ein grundsätzlicher Anspruch auf Nichterreichbarkeit festzulegen."

Ein weiterer Punkt: All-in-Vereinbarungen seien heute "immer öfter auch im Niedriglohnbereich anzutreffen". Die SPÖ will deswegen All-in-Vereinbarungen nur mehr ab einem Bruttolohn von mindestens 5.000 Euro im Monat.

FPÖ: Überbordendes Arbeitsrecht und Gleichberechtigung

Sowohl im Wahlprogramm als auch im Wirtschaftsprogramm der FPÖ findet sich nicht wirklich Konkretes zum Thema Arbeitszeit. Gestreift wird die Materie in Zusammenhang mit Gleichberechtigung: "Frauen verdienen bei gleicher Arbeit immer noch weniger als Männer. Dieser Missstand muss beseitigt werden. Die Kinderbetreuung oder auch die Pflege von Angehörigen lastet meist auf den weiblichen Familienmitgliedern. Diese Betreuungspflichten führen dazu, dass Frauen oft nur schlecht bezahlte Teilzeitarbeit wahrnehmen können."

Echte Wahlfreiheit für Frauen bedeute, "dass eine Mutter ohne finanziellen Druck die Entscheidung treffen kann, ob sie bei ihren Kindern zu Hause bleiben will und sie auch selbst erzieht und betreut, oder ob sie wieder – in welchem zeitlichen Ausmaß auch immer – arbeiten will". Notwendig seien jedenfalls eine Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie qualitätsvolle Teilzeitarbeitsplätze und gute Möglichkeiten zum beruflichen Wiedereinstieg.

Der stellvertretende FPÖ-Chef Norbert Hofer sieht steuerliche Maßnahmen als wichtiger an.
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Im Wirtschaftsprogramm ist hingegen vom "überbordenden Arbeitsrecht" die Rede, das "einfacher und flexibler" werden soll. Auch um Neugründungen zu erleichtern – "für potenzielle Investoren sind die Zustände in Österreich erschreckend. Bürokratie und arbeitsrechtliche Fehlentscheidungen haben sich zu echten Hindernissen entwickelt."

Die Grünen: Schrittweises Verkürzen der Arbeitszeit

Von Arbeit leben zu können wird bei den Grünen als Herausforderung beschrieben: "Arbeitszeit ist sehr ungleich verteilt. Überlangen Arbeitszeiten steht immer mehr Teilzeitbeschäftigung gegenüber. Dennoch wollen Interessenvertreter die Arbeitszeit immer weiter ausdehnen – teilweise ohne kollektivvertragliche Regelungen." Dadurch drohe den Arbeitnehmern: mehr Arbeiten für weniger Geld.

Die Grünen wollen die Arbeitszeit deswegen schrittweise verkürzen: "Im ersten Schritt soll der Abbau der Überstundenpraxis vorangetrieben werden, etwa durch Verdoppelung der Mehrarbeitszuschläge und gesetzliche Begrenzung der Durchrechnungszeiträume." In einem zweiten Schritt gehe es um den Einstieg in die Normarbeitszeitverkürzung auf 35 Stunden. Die Interessen der Arbeitnehmer sollen laut Wahlprogramm in Fragen der Arbeitszeitflexibilisierung und beim Ausbau von Karenzen gestärkt werden.

Arbeitszeit wird auch als Gleichstellungsthema beschrieben: "Arbeitszeit ist in Österreich sehr unterschiedlich verteilt. Männer arbeiten zu 90 Prozent Vollzeit, während jede zweite Frau in Teilzeit arbeitet." Das verfestige die ungleiche Verteilung von Familien- und Betreuungsarbeit zwischen Männern und Frauen. "Viele Frauen spüren am eigenen Leib, dass ihr reales Leben und ihre Chancen den gesetzlichen Errungenschaften und den politischen Versprechen hinterherhinken: Einkommensunterschiede, schlecht bezahlte Frauenbranchen, Armut, die ungleiche Verteilung von unbezahlter und bezahlter Arbeit und diverse gläserne Decken sind für Frauen bis heute Realität."

Der grüne Klubobmann Albert Steinhauser betont die Bedeutung der Work-Life-Balance.
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Und zur Digitalisierung: Beim Arbeitsrecht gelte es, "die Chancen der neuen Arbeitswelt zu nutzen, gleichzeitig aber eine Aushöhlung des ArbeitnehmerInnenschutzes durch Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingungen zu verhindern". Die Digitalisierung solle als Chance zur Arbeitszeitverkürzung und nicht als Hintertür für die De-facto-Ausweitung genutzt werden.

Neos: Win-Win und Betriebsvereinbarungen

"Wir werden Arbeitszeiten flexibler gestalten. Diese entsprechen dann sowohl dem Alltag der Arbeitnehmer als auch den Bedürfnissen der Betriebe", versprechen die Neos. Gelingen soll das durch ein flexibles Jahresarbeitszeitmodell mit Tagesarbeitszeiten von bis zu zwölf Stunden bei gleichbleibender Wochenhöchstarbeitszeit. Die Verlängerung des Durchrechnungszeitraums sei für Betriebe und Staat vor allem bei saisonabhängigen Arbeitszeiten eine Win-win-Situation. "Der Betrieb kann die Mitarbeiter das ganze Jahr über beschäftigen, ohne Überstundenzuschläge zu zahlen. Da aufgrund der ganzjährigen Beschäftigung die Saisonarbeitslosigkeit verringert wird, erspart sich der Staat das Arbeitslosengeld."

Nikolaus Scherak, seit 2012 Vorstandsmitglied der Neos: Zwölf-Stunden-Tag kann sinnvoll sein, aber die Wochenarbeitszeit soll gleich bleiben.
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Wie auch im Programm der ÖVP spielen Betriebsvereinbarungen eine wichtige Rolle: "Im Regelfall sollten Arbeitnehmer und Arbeitgeber gemeinsam, auf Basis von modernen gesetzlichen Regelungen (Tageshöchstarbeitsgrenze, Durchrechnungszeitraum von zwölf Monaten), eigenverantwortlich maßgeschneiderte Lösungen, die die Wünsche und Bedürfnisse beider Vertragsparteien berücksichtigen, finden." Daher müssten der Stufenbau des Arbeitsrechts reformiert werden und die Betriebsvereinbarungen auf dieselbe Stufe wie der Kollektivvertrag gestellt werden.

Liste Pilz: Flexibilisierung als Deckmantel

Die Liste Pilz hat bekanntlich kein Parteiprogramm, weil die Kandidaten das Programm seien. Des Themas Arbeitszeit annehmen will sich vor allem Daniela Holzinger-Vogtenhuber. Unter dem Deckmantel der Flexibilisierung würden Arbeitnehmer in einen Zwölf-Stunden-Tag gezwungen, das sei mit Familie nicht mehr vereinbar. "Es braucht Familienkinder und keine Betreuungskinder", sagt sie.

Was man außerdem weiß: Pilz sprach im Puls-4-"Sommergespräch" von einer Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 35 Stunden. Österreich liege im Schnitt weit darüber, und "für die Jungen bleibt keine Arbeit über".

KPÖ Plus: Forderung nach ernsthaften Debatten

Im Wahlprogramm der KPÖ Plus ist der Wunsch nach dem "Start einer breiten, ernsthaften Debatte über Konzepte wie Realisierung eines bedingungslosen, personenbezogenen und existenzsichernden Grundeinkommens, einer Wertschöpfungsabgabe und Arbeitszeitverkürzung" beschrieben. Außerdem wolle man sich für die "Reduzierung von Teilzeitarbeit durch Anspruch auf Vollzeitstellen" einsetzen und für eine Neuverteilung der Arbeit: 30-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich. (lhag, 21.9.2017)