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Lange Gesichter bei Ferrari und ein nachdenklicher, in sich gekehrter Sebastian Vettel.

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Seinen Ferrari fuhr der Deutsche zu Schrott.

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Strahlender Sieger der Raserei durch Singapur: Lewis Hamilton.

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Singapur – Für Sebastian Vettel wird es in der Formel-1-Weltmeisterschaft unangenehm. Während Lewis Hamilton seit dem Ende der Sommerpause in Belgien, Monza und Singapur gewonnen und damit die Königsklasse wieder zu seinem Reich gemacht hat, muss der Deutsche nach 14 von 20 Saisonrennen seinen bisher größten Rückstand in diesem Jahr aufholen. 44 Punkte hat er in drei Rennen gegen Hamilton verloren.

Die mitternächtliche Feierlaune bei Mercedes muss für Vettel nach dem Totalausfall von Singapur deshalb fast unerträglich gewesen sein. Vor dem Motorhome der Silberpfeile wurde laut gesungen. Für den Rückflug nach Europa mit Sieger und WM-Spitzenreiter Hamilton an Bord der Maschine von Oberaufseher Niki Lauda kündigte Teamchef Toto Wolff Party mit alkoholischen Getränken an.

Die Mitglieder der Ferrari-Crew packte hingegen nach der offen gebliebenen Schuldfrage für den kapitalen Crash beider roter Rennwagen mit bitterernsten Mienen die Reste eines erinnerungswürdigen Wochenendes ein. "Der Kampf ist noch nicht vorbei, er wird nur schwerer", meinte Teamchef Maurizio Arrivabene. Mit dem "springenden Pferd im Herzen" werde man aber bis zur letzten Kurve im letzten Rennen kämpfen.

Rennkommissare sahen keinen Hauptverantwortlichen

Was ihn, Vettel und die gesamte Scuderia nach der rund zwölfstündigen Rückreise erwartet, kann man sich ausmalen. Vettel der zunächst nach Hause in die Schweiz flog, wird sich weiter den Fragen nach einer Mitschuld an dem fatalen Unfall nach wenigen Metern stellen müssen. Daran ändert auch nichts, dass die Rennkommissare weder den von der Pole Position nur mäßig gestarteten Deutschen noch dessen Teamkollegen Kimi Räikkönen oder Max Verstappen von Red Bull für den Unfall hauptverantwortlich machten.

Die Stimmung von Vettels Oberboss Sergio Marchionne dürfte auf einem neuen Tiefpunkt sein. Nach dem verlorenen Heimrennen in Monza, wo Vettel immerhin noch auf Platz drei gekommen war, hatte er bereits gegiftet: "Wir haben versagt." Aus der geforderten Revanche wurde am Sonntag im verregneten Singapur ein maximales Desaster – die oft und schnell bemühten Alarmglocken dürften mittlerweile in Maranello ohrenbetäubend laut schrillen.

Historische Ferrari-Pleite

Erst zum zweiten Mal in elf Jahren kamen beide Ferraris nicht ins Ziel, Vettels Rückstand auf Hamilton wuchs auf 28 Punkte. Der 32-jährige Brite war vor seinen drei Siegen in Folge in Belgien, Italien und Singapur noch 14 Zähler hinter Vettel gelegen. Und nun kommen im Gegensatz zum engen Stadtkurs von Singapur Paradestrecken für Hamiltons Mercedes. 15 der vergangenen 17 Rennen in Malaysia, Japan, Mexiko (erst zwei Ausgaben), den USA, Brasilien und Abu Dhabi entschieden die Silberpfeile in den vergangenen Jahren für sich.

Man gehe nicht entspannter in die nächsten Rennen, betonte Wolff jedoch. Er nutzte das Singapur-Resultat des Rivalen als Mahnung ans eigene Team: Es sei eine deutliche Erinnerung daran, dass es in dieser Saison noch sechs weitere Gelegenheiten gebe, in denen Mercedes das Glück nicht hold sein könnte.

Zu hohes Risiko von Vettel

Es ist aber Vettel, der sich durch den Unfall in eine riskante Ausgangslage manövriert hat. Statt auf Nummer sicher zu gehen und die erste Kurve zu überstehen, wagte Vettel viel und verlor alles. Während Hamilton seine Strategie – "Eine perfekte Balance zwischen aggressiv und vorsichtig" – auch in den entscheidenden sechs Rennen dieser Saison beibehalten will, kann sich Vettel jegliche Vorsicht im Duell mit dem mittlerweile 60-maligen Grand-Prix-Gewinner kaum mehr leisten.

Zumal von Platz drei auch noch Valtteri Bottas, Dritter beim Flutlichtspektakel hinter Hamilton und Daniel Ricciardo im Red Bull, den Vizerang im Klassement ansteuert. "Sebastian ist das nächste Ziel", sagte der Finne im Mercedes-Team. 23 Punkte liegt er hinter dem Deutschen.

Doch es wäre nicht das erste Mal, dass Vettel sich aus so einer Situation befreit und am Ende noch der große Gewinner ist. 2010 lag er im Red Bull schon 31 Punkte hinter Hamilton im McLaren – und wurde erstmals Weltmeister. 2012 fehlten ihm zwischenzeitlich 42 Punkte auf den damaligen Ferrari-Piloten Fernando Alonso – Vettel wurde am Ende aber Weltmeister. Mercedes will das verhindern. "Wir sind nicht hier, um Gefangene zu machen", sagte Wolff bei allem Mitgefühl für die Ferrari-Verantwortlichen.

Mit Gottes Segen

Hamilton hingegen jubelte. Nach den Problemen im Training spülte ihn der Crash zwischen Vettel, Max Verstappen und Kimi Räikkönen von Startplatz fünf an die Spitze und der Regen von dort zum 60. Grand-Prix-Sieg. "Gott hat mich heute gesegnet. Das Szenario hätte perfekter nicht sein können für uns", sagte der 32-Jährige. (APA, 18.9.2017)