Ein Roboter-Fisch des Subcultron-Projektes.

Foto: Subcultron

Die venezianische Lagune soll schon in zwei Jahren von einem Schwarm von rund 120 kleinen Unterwasser-Robotern erkundet und vermessen werden. Er soll ohne zentrale Steuerung von außen funktionieren, Vorbild sind unter anderem soziale Insekten. Unter der Leitung von Thomas Schmickl von der Universität Graz wurden am Freitag im Gelände des Arsenale in Venedig Tests im Wasser durchgeführt.

Bienen, Fische oder auch Vögel können im Schwarm Aufgaben bewältigen, die für die Individuen alleine zu schwierig wären. "Schwärme sind robuste, flexible und skalierbare Systeme, die sich einfach und schnell an wechselnde Umweltbedingungen anpassen können", erklärte Thomas Schmickl, Leiter des "Artificial Life Lab" an der Uni Graz im Vorfeld der Tests gegenüber der APA. Das Phänomen aus der Tierwelt macht er für die Robotik nutzbar.

Suche nach Selbstorganisation

Durch die Beobachtung und Analyse solcher tierischer Schwärme, die sich im Kollektiv intelligent verhalten, suchen die Forscher des "Artificial Life Lab" mit acht europäischen Partnerinstitutionen nach Regeln, wie sich künstliche Systeme zielgerichtet selbst organisieren können. Als Inspirationsquelle dient ihnen u.a. das Schwarmverhalten von Bienen, Fischen, Glühwürmchen oder auch Schleimpilzen, wie Schmickl schilderte. Aus ihrem Verhalten versuchen sie Algorithmen – quasi die Teamregeln für die Roboter – abzuleiten.

Aus ihren bisherigen Erkenntnissen wollen die Forscher des EU-geförderten Projektes "subCULTron" (Submarine Cultures perform long-term robotic exploration of unconventional environmental niches) bis zum Sommer 2019 einen Unterwasser-Schwarm entstehen lassen. "Mit unserem Schwarm gehen wir über die Logik von einzelnen komplexen Unterwasserrobotern hinaus und wollen ein kollektives kognitives System mit hohem Lernpotenzial und Selbstadaption schaffen", berichtete Schmickl. Die Herausforderung: "Wir wollen zeigen, dass ein Roboterschwarm außerhalb des Labors – in einer echten Welt also – sinnvoll arbeiten kann", wie der Grazer Experte sagte, der ursprünglich aus der Bienenforschung kommt.

Tests in freier Natur

In einem Vorgängerprojekt haben die Forscher bereits einen Unterwasser-Schwarm entwickelt und in einem Becken arbeiten lassen. "Jetzt gehen wir in die freie Natur. Nicht gleich in den Atlantik, doch die Strömungen, Wellen, das trübe Wasser und selbst Wasservögel in Venedig bieten schon genügend Herausforderungen, die zu meistern sind", schilderte Schmickl.

Die perfekt kooperierenden Roboter sollen in der Lagune ausschwärmen und selbstständig Daten sammeln, die Einblicke in das Zusammenspiel von Flora, Fauna, Industrie und Fremdenverkehr in der außergewöhnlich beanspruchten Unterwasserwelt geben. Der Roboterschwarm funktioniert laut Schmickl über bioinspirierte Algorithmen, die aus dem Schwarmverhalten von sozialen Insekten und Fischen abgeleitet wurden. Diese Algorithmen ermöglichen es, dass jeder einzelne Roboter über seinen Zustand (Aufenthaltsort, Energiestatus) Bescheid weiß und infolge eines Netzwerkes aus Rückkoppelungen auch so etwas wie eine "Schwarmintelligenz" besitzt.

Künstliche Muscheln, Fische und Plattformen

Um die Anforderungen der Lagunenumgebung zu bewältigen, haben die Forscher drei Typen von Robotern entworfen: Am Lagunenboden lagern artifizielle Muscheln (aMussels). Diese künstlichen Meeresbewohner nehmen über eine Fülle von Kameras und Sensoren Daten wie Temperatur, Licht, Sauerstoff- und Salzgehalt, Artenvorkommen bis hin zur elektrischen Leitfähigkeit auf. In einer Zwischenstufe schwimmen die aFish-Roboter und tauschen Informationen mit den aMussels und den aPads aus. An diese, an der Wasseroberfläche schwimmenden kleinen Plattformen können die anderen Roboter auch andocken, um sich wieder mit Energie, die aus Solarzellen gewonnen wird, aufzuladen.

Damit die Roboter möglichst energiesparend und lange agieren können, werden auch neue Methoden der Energiegewinnung im Unterwasserbereich entwickelt. Bei der Endpräsentation im Sommer 2019 sollen insgesamt rund 150 einzelne Roboter (darunter 120 aMussels) im Schwarm agieren.

Vorsichtshalber angeleint

Bei den aktuellen Test in Venedig am Freitag wurden die ersten 18 aMussels, drei aPads und ein aFish im bis zu sechs Meter tiefem Lagunenwasser getestet. "Wir wollen u.a. sehen, wie die aPads mit einem Schwarm von aMussels interagieren, wie sich die aMussels untereinander einigen, wenn sie verschiedene Messwerte erhalten oder wie gut sie es schaffen zusammenzufinden und zusammenzubleiben".

Dass sie im trüben Wasser der Lagune verloren gehen könnten, hält er zumindest im Rahmen der Tests für unwahrscheinlich: " Wir haben sie trotzdem vorsichtshalber mit Sicherheitsleinen versehen", berichtete Schmickl. Das Projekt verfügt über ein Forschungsbudget von vier Millionen Euro und ist auf vier Jahre angelegt. (APA, 15.09.2017)