Weil vier Verstorbene im Grundbuch die Parzellierung verzögern, sind im 21. Bezirk Schrebergärten zur Zwischennutzung entstanden.

Foto: Pichlmair

Vier Tote haben Michael Pichlmair einen Strich durch die Rechnung gemacht. Der Plan des Wiener Immobilienentwicklers, als er vor drei Jahren ein Grundstück in einer Kleingartensiedlung im 21. Bezirk kaufte, sah nämlich vor, dieses zu erschließen, zu parzellieren und dann einzeln abzuverkaufen.

Doch daraus wurde bisher nichts: "Die gesamte Siedlung wartet seit Jahrzehnten darauf, parzelliert zu werden", erzählt Pichlmair im Gespräch mit dem STANDARD. "Bisher vergeblich, weil bei einem Grundstück in der Kleingartensiedlung vier Menschen im Grundbuch stehen, die bereits in den 1970er-Jahren verstorben sind." Weil eine Parzellierung aber von sämtlichen Eigentümern unterschrieben werden muss, ist bis heute nichts passiert.

Zumindest nicht das, was ursprünglich geplant war: Mittlerweile sind auf Pichlmairs Grundstück Zwischennutzer eingezogen. Normalerweise bespielen kreative Zwischennutzer temporär ungenutzte Gebäude, die auf Umbau bzw. Umwidmungen warten. Pichlmair hat sein Grundstück auf zehn Zwischennutzer aufgeteilt, die für ihre Kleingärten hundert Euro im Monat zahlen. Die einzelnen Grundstücke wurden von den Nutzern beim Projektstart vor zwei Jahren mit Gartenzäunen abgegrenzt, dahinter sind aufstellbare Swimmingpools, Zelte und sorgsam umhegte Gemüsebeete zu sehen.

Taubenzüchter als Mieter

Auch ungewöhnlichere Mieter sind eingezogen: ein Taubenzüchter zum Beispiel, der hier seine 40 Tauben dressiert. Das Idyll hat jedoch ein Ablaufdatum: Bis 2020 dürfen die Zwischennutzer bleiben. Bis dahin, so hofft Pichlmair, sind die Formalitäten geklärt und die Verstorbenen endgültig aus dem Grundbuch verschwunden.

Dass Menschen, die wohl schon länger verstorben sind, im Grundbuch stehen, hat auch eine Recherche von ImmoUnited, einem Unternehmen, das sich auf die Analyse von Grundbuchdaten spezialisiert hat, für den Standard vor wenigen Monaten ergeben. Darin schienen 40 Personen auf, bei denen das Geburtsdatum mindestens 150 Jahre zurückliegt – und die somit wohl schon seit längerem tot sind. Ihnen gehören Grünland und Wälder, aber auch Einfamilienhäuser und Zinshäuser, oder zumindest Anteile davon.

Liegenschaft übersehen

Dass Tote zumindest kurzfristig im Grundbuch stehen, überrascht den auf Immobilienrecht spezialisierten Rechtsanwalt Thomas In der Maur nicht: Ein Verlassenschaftsverfahren, bei dem das Erbe aufgeteilt wird, dauere mitunter Jahre – und solange ein solches nicht abgeschlossen ist, ändert sich auch im Grundbuch nichts. "Und selbst wenn das Verfahren beendet ist, geschieht der Eintrag ins Grundbuch nicht automatisch", so In der Maur. Vielmehr müssten sich die Erben selbst darum kümmern bzw. müsse das Verlassenschaftsgericht diesbezüglich Druck ausüben.

Dass bei einem Verlassenschaftsverfahren eine Liegenschaft übersehen wird und so der Verstorbene als Eigentümer im Grundbuch bestehen bleibt, sei heute nicht mehr möglich, sagt In der Maur, weil mittlerweile alle Grundbuchdaten digitalisiert seien. Theoretisch sei aber denkbar, dass das früher, in analogen Zeiten, passiert ist.

Entfernte Verwandte

Steht ein Verstorbener im Grundbuch, dann können die Erben mit der Liegenschaft jedenfalls nicht viel anfangen, weil sie diese dann natürlich auch nicht verkaufen können, betont der Rechtsanwalt Nikolaus Vasak. Problematisch findet er, wenn die Ausforschung der Erben länger dauert. Werden bei der Ausforschung keine Erben gefunden, fällt der Nachlass an den Staat.

Das ist laut Rechtsanwalt In der Maur aber "ein außergewöhnlicher Fall", weil der Notar am Ende oft doch einen Verwandten ausfindig macht – mitunter einen, der den Verstorbenen nicht ein- mal kannte. "Das kommt immer wieder vor. Ich kenne Fälle, wo jemand völlig unverhofft zu einer Erbschaft gelangt ist, weil der Verstorbene sonst keine näheren Verwandten hatte und auch kein Testament geschrieben hat."

Immobilienentwickler Pichlmair muss sich indes nicht nur mit Toten herumschlagen: Ein Zwischennutzer nutzt seinen Garten nicht zur Erholung, sondern zum Feiern, klagen Nachbarn. Er muss seinen Schrebergarten nun räumen. Einen Hobbygärtner auf der Warteliste wird das freuen. (Franziska Zoidl, 17.9.2017)