Grant Hart im Juli dieses Jahres bei einem Benefizauftritt für sich selbst. Nun ist der Schlagzeuger und Songwriter der einflussreichen US-Band Hüsker Dü 56-jährig einer Krebserkrankung erlegen.

Foto: Y. Vang

Wien – Für die Generation Punkrock war das Gespann Bob Mould und Grant Hart so etwas wie John Lennon und Paul McCartney. Ein Glücksfall einer Paarung, die sich in ihren unterschiedlichen Wesensmerkmalen prächtig ergänzte. Hart und Mould waren die beiden Songwriter der einflussreichen US-Band Hüsker Dü.

Während Gitarrist Mould vorne am Mikro sich selbst zerfleischende Texte ins Mikro brüllte, ging die Sonne auf, wenn Hart hinten an der Trommelbude sang. Dort saß er, ein bisschen pummelig, barfuß, die langen Haare im Gesicht, und hielt Moulds Pessimismus dagegen. Nun ist Grant Hart gestorben.

Überraschend kam das nicht. Wer die letzten Jahre des am 18. März 1961 in Saint Paul, Minnesota, als Grantzberg Vernon Hart geborenen Musikers verfolgt hat, musste eine Abwärtsspirale erkennen. Viele Jahre der Drogenabhängigkeit zehrten an seiner Erscheinung. Er erschien ausgemergelt, was man Karriere nennt, wirkte bescheiden. Bei einem Brand verlor er zudem sein Zuhause, dazu kam eine Krebserkrankung, der er nun erlegen ist.

Doch schon zu Lebzeiten strahlte sein Erbe. Hüsker Dü, gegründet 1979, aufgelöst 1988, gelten als Wegbereiter des Alternative Rock. In den 1980ern waren das Trio Hart, Mould und Greg Norton die erste Band des wilde Blüten treibenden Hardcore-Undergrounds, die von einem Majorverlag unter Vertrag genommen wurde. Ihr Album Zen Arcade (1984) gilt als Meilenstein der Ära.

Hart gestaltete alle Cover sowie den legendären Schriftzug der Band. Ihre Musik war eine Mischung aus Pop und Punk, die sie mit dem Bleifuß am Gas spielten. Dieses Rezept wurde auf Alben wie Flip Your Wig und Candy Apple Grey zusehends melodischer und bildete die Vorlage für alle jene Bands, die in den 1990ern mit demselben Rezept erfolgreich wurden – von Nirvana abwärts. Ein Verdienst, das sich für die drei von Hüsker Dü historisch eher als monetär niederschlug, lediglich Bob Mould ist bis heute als Musiker erfolgreich.

Wechsel an die Gitarre

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Der sonnige Hart hingegen, der wurde in den mittleren 1980ern heroinabhängig, im letzten Jahr der Band wurde er als HIV-positiv diagnostiziert, was sich Monate später als Irrtum erweisen sollte. Doch nach anhaltenden Spannungen und dem Suizid ihres Managers löste sich die Band auf. Von Hart geschriebene Songs wie Don't Want To Know If You Are Lonely, Books About UFOs und Flexible Flyer zählten zu den besten der Band.

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Hart war der Erste, der daraufhin solo Musik veröffentlichte. Das zartbittere 2541 war ein Lied über das alte Headquarters der Band, das sich auch auf seinem exzellenten ersten und im Alleingang produzierten Album Intolerance (1989) wiederfand. In den 1990er wechselte er vom Schlagzeug an die Gitarre und veröffentlichte mit der Band Nova Mob zwei Alben, auf denen er das Rezept von Hüsker Dü ohne deren getriebenen Irrsinn weiterverfolgte. Das zeitigte herrliche Ohrwürmer. Doch als Frontmann war er nicht so souverän wie hinter den Trommeln, was bei einem Auftritt in der Szene Wien zu Auseinandersetzungen mit dem Publikum und patzigem Kleinkindverhalten führte.

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Nach dem Ende von Nova Mob veröffentlichte er unter eigenem Namen und in größer werdenden Abständen weitere Alben. Good News For Modern Man überzeugte 1999 mit gewohnter Qualität, doch ohne größeres Label und ohne Band fand es außerhalb der eingeschworenen Fangemeinde kaum Beachtung.

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2010 trat Hart beim Wiener Songwriter-Festival Blue Bird auf. Da war er längst ein Ritter von trauriger Gestalt, zynisch bis verbittert, dem es dennoch gelang, einem mit seiner Stimme und einzelnen Songs das Herz an diesem kalten Novemberabend zu wärmen. 2013 erschien sein letztes Album The Argument, ein Doppelalbum, das Hoffnung gab, Hart könnte sich fangen, aber nicht.

Zwar wurden einige seiner Alben in den letzten Jahren neu aufgelegt, eine Trendwende zeichnete sich aber nicht ab. 2013 erschien Gorman Bechards Doku Every Everything: The Music, Life & Times of Grant Hart, die den Musiker würdigte. "Beautifully sad" nannte ein Kritiker den Film.

Grant Hart wurde 56 Jahre alt. (Karl Fluch, 14.9.2017)