Am Montag demonstrierten in Ankara zahlreiche Menschen für die Freilassung von Nuriye Gülmen und Semih Özakça.

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Ankara/Athen – Es gibt bereits einen Kurzfilm und ein altes türkisches Freiheitslied, neu aufgenommen von ihren prominenten Unterstützern. Die Anfangsbuchstaben ihrer beiden Vornamen sind hier und da auf Hausmauern und an Bushaltestellen gesprüht wie eine trotzige Botschaft: "NuSe" für Nuriye und Semih. Denn der Gouverneur von Ankara hat jegliche Presseerklärung und Kundgebung untersagt.

Twitter in der Türkei aber quillt über mit Solidaritätsadressen und Ermunterungen für die inhaftierten Lehrer. Nuriye Gülmen und Semih Özakça gaben auch auf Twitter vor wenigen Tagen bekannt, dass sie zur Eröffnung ihres Prozesses am Donnerstag kommen werden. Man wird sie in Rollstühlen in den Gerichtssaal in Ankara fahren müssen. Die beiden Lehrer sind viel zu schwach. Seit 190 Tagen protestieren sie mit einem Hungerstreik gegen ihre Entlassung.

Protest gegen Entlassung

Mehr als 146.000 Staatsbedienstete sind seit dem Putsch und der Verhängung des Ausnahmezustands in der Türkei im Sommer vergangenen Jahres per Dekret entlassen worden. Einige fanden sich mit der Entlassung, die in der Regel nicht konkret begründet wird, nicht ab und gingen mit einem Schild auf die Straße. Den größten Widerhall fanden dabei Gülmen und Özakça, eine Dozentin der Literaturwissenschaften an einer Universität in Konya in Zentralanatolien und ein Grundschullehrer aus der Provinz Mardin im mehrheitlich kurdischen Südosten der Türkei.

Im November 2016 begannen sie einen Sitzstreik in einer Fußgängerzone im Zentrum Ankaras, um ihre Wiedereinstellung zu erzwingen. Vier Monate später traten sie in den Hungerstreik. Dann wurde es der Regierung zu viel. Sie fürchtet angesichts der Solidarisierung mit Gülmen und Özakça einen gesellschaftlichen Aufruhr wie bei den Protesten um den Gezi-Park in Istanbul 2013.

Im Mai werden sie von der Straße geholt und als angebliche Terroristen der linken DHKP-C verhaftet. Diese habe auch den Hungerstreik angeordnet, so heißt es in einem Büchlein des Innenministeriums, das im Juli erschien. In den Strafprozess gehen die beiden Lehrer heute ohne ihre Anwälte. 17 Verteidiger von Gülmen und Özakça ließ die Justiz am Dienstag auch gleich festnehmen. (Markus Bernath, 14.9.2017)