Das Zitieren der einst von Bruno Kreisky gegrummelten Ermahnung "Lernen Sie Geschichte, Herr Reporter" gehört zu den abgenutztesten Stilmitteln heimischer Innenpolitikkommentierung. Mit umso größerer Beschämung gestehe ich, diese Allzweck-Phrase unlängst selbst verwendet zu haben, nämlich gegenüber Rainer Nowak, dem privat sehr sympathischen Chefredakteur der in jüngster Zeit als Quereinsteiger-Kaderschmiede für die Liste Kurz auffällig gewordenen Tageszeitung Die Presse. Anlass war ein Leitartikel Nowaks, in dem dieser der berechtigten Sorge um die Qualität zukünftiger FPÖ-Regierungsmitglieder Ausdruck verlieh. Um die ätzende Schärfe der Frage, wer wohl die Scheibners, Grassers und Gorbachs der Zukunft sein werden, ein wenig zu mildern, versuchte Nowak auch ein Positivbeispiel der ehemaligen blauen Mitregierer anzuführen und entschied sich dabei ausgerechnet für Dieter Böhmdorfer, dem er "Redlichkeit" attestierte.

Das ist so, als würde man Andreas Gabalier für sein feministisches Engagement oder Richard Lugner für seine würdevolle Dezenz loben. Deshalb verband ich meine kreiskyhafte Aufforderung an den Chefredakteur mit der Empfehlung, historische Wissenslücken durch die Lektüre des von Kurt Kuch 2011 verfassten Buches "Land der Diebe", dem Standardwerk heimischer Korruptionsdokumentation, zu schließen.

Und auch jenen, die zu Recht meinen, dass seit 2011 doch einiges passiert sei, kann bald geholfen werden. Nächste Woche erscheint "Der geplünderte Staat und seine Profiteure" von dem preisgekrönten Investigativjournalisten Ashwien Sankholkar. Eine Bestandsaufnahme politischer und ökonomischer Ungeheuerlichkeiten, die ich schon das gruselige Vergnügen hatte vorab zu lesen.

Der Erscheinungstermin nährt zwangsläufig Spekulationen, wem diese Skandalchronik im Wahlkampf nützen könnte. Erste Vermutungen, dass FPÖ, SPÖ und ÖVP eher nicht infrage kommen, sind nicht von der Hand zu weisen, wenngleich sich aus Sicht der Volkspartei vielleicht doch auch ein nutzbringender Aspekt finden lässt.

Konkret geht es um den derzeit oft zu hörenden Vorwurf, die zur Bewegung mutierte Partei ließe uns über ihre wahren Zukunftspläne im Dunkeln. Dem kann nun entgegengehalten werden, dass es diesbezüglich sogar einen Notariatsakt gibt. Darin verpflichtet sich die ÖVP, von der Telekom erhaltene, laut Staatsanwaltschaft aber nicht als solche deklarierte Parteispenden in Höhe von 250.000 Euro mittels Ratenzahlungen bis 31. 12. 2024 zurückzuzahlen. Ähnliche Vereinbarungen wurden mit den Lotterien sowie der Raiffeisen-Landesbank Oberösterreich getroffen. Mit dieser Variante eines außergerichtlichen Tatausgleichs vermied die ÖVP das Risiko, als erste Partei Österreichs wegen Untreue und Geldwäsche zur Rechenschaft gezogen zu werden.

Inwieweit die rechtlich ungeklärte Frage, ob eine vorbestrafte Bundespartei zu Nationalratswahlen antreten darf, die Idee zur Gründung einer "Liste Kurz" begünstigt hat, kann man nur mutmaßen. Dass die nun Türkisen aber zu Verpflichtungen aus der schwarzen Vergangenheit stehen, lässt ihr Plakatsspruch hoffen: "Es ist Zeit".

Zumindest noch bis 31. 12. 2024. (Florian Scheuba, 13.9.2017)