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Nationalhelden will das Land. Das System Spitzensport und damit verbunden Großveranstaltungen werden aber gern hinterfragt. Was wohl Franz Klammer, der 1976 in Innsbruck Gold holte, dazu sagen würde?

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Toni Innauer unterstützt die Bewerbung von Innsbruck mit Verweis auf die Reformbestrebungen des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), zusammengefasst in der nach den gigantomanischen Winterspielen in Sotschi beschlossenen Olympic Agenda 2020. Einige der darin enthaltenen 40 Empfehlungen zielen darauf ab, den Bewerbungsprozess und die Durchführung von Olympischen Spielen zu vereinfachen.

Mit der Vergabe der Olympischen Spiele 2024 an Paris und 2028 an Los Angeles ist dem IOC ein Befreiungsschlag gelungen. Zuletzt scheiterten zahlreiche Bewerbungen in westlichen Demokratien an der Ablehnung der Bevölkerung. Was zur Folge hat, dass um internationale Reputation bemühte Schwellenländer als einzige Kandidaten übrig bleiben. Gerade für die Olympischen Winterspiele wünscht sich das IOC nach Peking 2022 einen konventionelleren Austragungsort und scheint bereit, Kandidaten wie Innsbruck – beispielsweise durch geringere Zuschauerkapazitäten der Sportstätten als sonst bisher vorgeschrieben – entgegenzukommen.

Die Bewerbung Innsbrucks setzt bewusst auf ein regionales und auf die Essenz des Sports reduziertes Konzept. Es ist zu früh, um die internationale Konkurrenzsituation und damit auch den tatsächlichen Verhandlungsspielraum gegenüber dem IOC endgültig abschätzen zu können. Fest steht jedoch, dass im Spitzensport viele ethische Fragen ungelöst sind, saubere Athletinnen und Athleten eben nicht immer geschützt sind.

Entweder oder

Im Grunde gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder wir ziehen uns konsequenterweise als Gesellschaft aus dem Spitzensport zurück. Weil wir in Österreich mit den heutigen Dimensionen bei Sportgroßveranstaltungen nicht mithalten wollen und das System Spitzensport für unreformierbar halten. Oder wir leisten einen Beitrag dazu, dass Sport und Bewegung auch auf höchstem Niveau so betrieben werden, wie das Innauer vorschlägt: nämlich im Sinne einer humanen Sport- und Leistungskultur. Gleichsam von der Seitenlinie reinzukeppeln wird unseren Möglichkeiten nicht gerecht. Wir sollten nicht nur Missstände anprangern, sondern auch Verantwortung für positiven Wandel übernehmen. Und gleich einmal bei uns selbst beginnen.

Als Gastgeber haben sich besondere Vorbereitungen des eigenen Olympiateams bewährt, Kanada war mit dem Programm Own The Podium bei Vancouver 2010 erfolgreich. Darüber hinaus könnte der in Verbänden und Vereinen organisierte Sport eine Renaissance der Freiwilligenarbeit ausrufen. Neue Formen von Rekrutierung, Training, Einsatz und Bindung von ehrenamtlich Tätigen sind gefragt. Dafür muss innerhalb und außerhalb des Sports (bis hin zum Arbeitsmarktservice) gut zusammengearbeitet werden. Von Anfang an sollte die Freiwilligeninitiative darauf abzielen, dass sich die Menschen auch nach den Olympischen Winterspielen engagieren.

Ein weiteres konkretes Entwicklungsfeld hat die im April 2017 im Auftrag der britischen Regierung veröffentlichte unabhängige Studie "Duty of Care in Sport" auf den Punkt gebracht: Es geht darum, wie aus ethischer Sicht mit Athletinnen und Athleten – insbesondere auch im Nachwuchssport – umgegangen wird. Das inhaltliche Spektrum reicht von Fragen der sogenannten dualen Karriere, also Sport und Ausbildung bzw. Berufsausübung zu verbinden, bis hin zu Repräsentation und Selbstbestimmung.

Gesamtstaatlich lösen

Die Gesundheit im umfassenden Sinn, das langfristige Wohlergehen der Athletinnen und Athleten zu priorisieren, klingt selbstverständlich. Gerade im Spitzenssport mit seiner knallharten, faszinierenden Leistungslogik ist es jedoch mit Festtagsreden nicht getan. Gefragt sind vielmehr organisatorische Verbesserungen, teilweise wohl auch Bewusstseinsbildung für systemische Schwächen und Weiterentwicklung der Sportkultur. Dabei sollten wir die Aufgabe, Olympische Winterspiele zu organisieren – noch dazu in reformierter Form – nicht kleinreden. Österreichs Sponsorenmarkt ist überschaubar. Bei aller Wintersportkompetenz gibt es auch Disziplinen, in denen wir großen Aufholbedarf haben. Die Spiele sind – allein schon aufgrund des Sicherheitsthemas – ein gesamtstaatliches, im Grunde nur grenzüberschreitend lösbares Megaprojekt, das jedoch unsere Sport- und Leistungskultur auf Jahre hinaus prägen und auch international Vorbild sein kann.

Damit das gelingt, müssen wir einerseits all unsere Kompetenzen ausspielen und andererseits offen für das Neue sein – und mit Partnern wie dem IOC eine Art Lerngemeinschaft bilden. Natürlich vorausgesetzt, dass die Volksbefragung grünes Licht für eine Bewerbung gibt. (Markus Redl, 11.9.2017)