Demonstrationszug für die Unabhängigkeit Kataloniens in Barcelona. Das Bild stammt vom Aufmarsch anlässlich des katalanischen Unabhängigkeitstags am 11. September 2016.

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Barcelona – Die politische Krise zwischen Madrid und Barcelona rund um das geplante Referendum über die Unabhängigkeit Kataloniens am 1. Oktober wirft lange Schatten auf Spaniens Wirtschafts- und Finanzpolitik voraus.

Aktueller Anlass ist die nahende Revision des Spanien-Schuldenratings von Standard & Poor's Ende September und von Moody's am 20. Oktober.

Die Zentralregierung unter dem konservativen Premier Mariano Rajoy erhofft sich eine Verbesserung des Ratings. Was sich beim Rekordstaatsschuldenstand von über 100 Prozent der Wirtschaftsleistung, der 1138 Milliarden Euro beträgt, auf die zu bedienende Zinslast niederschlagen würde.

Fitch und S&P werten Spanien eben noch mit BBB+, Moody's mit BBB. Wobei Fitch Ende der Vorwoche warnte, dass, "sollten die Feindseligkeiten zwischen Madrid und Barcelona weiter eskalieren", der Region Katalonien im Rating eine weitere Herabstufung drohe.

Goldman Sachs rechnet mit Ja zu Unabhängigkeit

Als Begründung wurde angeführt, dass Madrid seine finanzielle Mittel für das wirtschaftsstarke Katalonien kappen könnte. Auch bei S&P könnten sich die Diskussionen über das Referendum negativ auswirken, so die Angst.

Denn auch anderswo machen sich Analysten schon Gedanken. Die US-Investmentbank Goldman Sachs geht zum Beispiel bereits von einem klaren Sieg eines Ja für die Unabhängigkeit aus – bei geringer Beteiligung wegen des wahrscheinlichen Boykotts der prospanischen Wähler.

Um eine Krise zu vermeiden, pocht Goldman auf Verhandlungen zwischen Madrid und Barcelona, die auf eine "föderale Lösung" mit mehr Autonomie für Katalonien zielen.

"Eine andauernde Phase der Unsicherheit wird sich auf das Schuldenrating Spaniens niederschlagen", warnt Raymond Torres vom Sparkassenverband Fundación de Cajas de Ahorro. Katalonien trägt 19 Prozent zum gesamtspanischen BIP bei und verbucht mehr als 30 Prozent der Exporte für sich.

Ruhe vor dem Sturm

"Die Chance, dass es zu einer Unabhängigkeit kommt oder dass die Wirtschaft entgleist, ist minimal", sagte Joaquín Casasús, Generaldirektor von Abante Asesores Gestión zur Wirtschaftszeitung Cinco Días. Daher würden sich an den Märkten per se noch keine direkten Negativfolgen zeigen. "Die Märkte sind noch anästhesiert in Sachen Sezession."

Anders die Unternehmerbünde wie Foment del Treball (der größte in Katalonien), der die Unabhängigkeitsbewegung sehr kritisch sieht, oder der Wirtschaftskreis Cercle d'Economía oder Barcelonas Wirtschaftskammer. Unisono zeigen sie sich "hochgradig besorgt" über die Eskalation der politischen Konfrontation im Lande. Der Cercle ist überdies alarmiert über die angeblich bereits einsetzende Abwanderung von Unternehmenssitzen aus Barcelona.

"Erste negative Effekte zeigen sich bei den Unternehmen", unterstreicht denn auch Joaquín Gay de Montellá, Präsident von Foment del Treball. Steigende Nervosität sei bei multinationalen Konzernen spürbar. Er fürchtet weiters, "dass sich der Konflikt nun auf die Straßen verlagern wird". Denn für den Nationalfeiertag Kataloniens – der Diada – werden am Montag wie auch schon in den Jahren zuvor Massendemonstrationen für die Unabhängigkeit stattfinden. (Jan Marot aus Granada, 11.9.2017)