Mit dem Ruf nach einer Schließung der Mittelmeerroute beginnt es, mit dem "Anprallschutz" um das Regierungsviertel geht es weiter, und wo das noch endet, wenn einmal die schwarz-blaue Koalition sich selber und dann auch alle echten Österreicher vor volksfremder Bedrohung welcher Art auch immer schützen wird, lässt sich noch gar nicht absehen. Der Mauerbau auf dem Ballhausplatz ist repräsentativ für den gegenwärtigen geistigen Zustand der Republik, den zu prägen sich der Innenminister zur Aufgabe seines politischen Lebensabends gemacht hat. Zweifellos völlig selbstlos, gäbe es doch auch in St. Pölten mit Landeshauptfrau und -regierung schützenswertes Politgut, wenn auch von geringerem Wert, wenn es um Vermarktungschancen fünf Wochen vor Nationalratswahlen geht.

Sich geistige Anleihen bei größeren Mauerbauvorhaben der Vergangenheit zu nehmen ist dabei gewiss keine Schande. Es hätte aber nicht geschadet, sich daran zu erinnern, dass weder das chinesische noch das Berliner Projekt letztlich den von den Erbauern intendierten Zweck erfüllen konnte. Wenn man aber schon Großes im Sinn hat, warum es bei halben Sachen belassen, statt gleich den Fehler Kaiser Franz Josephs zu korrigieren und eine Wiedererrichtung der Stadtmauern ins Auge zu fassen? Das wäre eine Aufgabe, die den Innenminister von seinen Plänen der Bevölkerungsüberwachung im Internet für längere Zeit ablenken könnte, vom Beschäftigungseffekt einmal ganz abgesehen.

Das nun etwas bescheidener ausgefallene Projekt geht angeblich auf Planungen aus dem Jahr 2014 zurück. Lobenswert, dass man sich in Zeiten eines internationalen Terrorismus Gedanken macht, wie und wo Schutz von Menschen und Objekten optimal zu organisieren wäre, wobei inzwischen klar ist, dass es absolute Gefahrenabwehr nicht geben kann. Es wäre genug Zeit gewesen, seither jene nach ihrer Meinung – auch in Hinsicht auf die Risikoabwägung – zu fragen, die in dieser Stadt leben, sich hier sicher fühlen, aber auch von grausamer Verschandelung möglichst verschont bleiben wollen: die Wienerinnen und Wiener. Aber so viel aufgeklärter Absolutismus steckt noch in unserer Obrigkeit, dass die Generaldirektion für öffentliche Sicherheit das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung mit der Ästhetisierung einer Gegend beauftragen darf, auf die man lieber keinen Canaletto-Blick wirft – weit an der Bevölkerung vorbei.

In einer Stadt, in der das Wirken sogenannter Immobilienentwickler allenthalben große Schäden am Weltkulturerbe anrichten darf, hat der amtliche "Anprallschutz" gerade noch gefehlt. Alternativen dazu, die auch Sicherheit bieten könnten, sind nicht bekannt, Terroristen mögen sich anderswo betätigen, ist die mitschwingende Botschaft. Dass zu der Vorstellung eines Innenministers als Genius Loci vom Ballhausplatz sich bisher nur der Rektor der Universität für angewandte Kunst, Gerald Bast, kritisch zu Wort gemeldet hat, gibt auch zu denken. Wenn schon die Bürgerinnen und Bürger nichts mitzureden hatten, arbeiten doch in den anliegenden Gebäuden noch Persönlichkeiten, die die Notbremse ziehen konnten. (Günter Traxler, 7.9.2017)