Wien – "Ich bin enttäuscht, ich kann es gar nicht glauben." Franz verbringt heute einen Teil seiner Mittagspause auf dem Wiener Ballhausplatz. Entsetzt beobachtet er, wie soeben Beton in einen breiten Graben vor dem Bundeskanzleramt geleert wird.

Erst kürzlich wurde bekannt, dass neue Maßnahmen getroffen werden, um das Regierungsviertel vor möglichen Terroranschlägen zu schützen. Die Baustelle war ohne Ankündigung im Spätsommer aufgetaucht und sorgt nun für Rätselraten bei der Bevölkerung. Wer genau wovor mit der 80 Zentimeter hohen und einen Meter breiten Betonmauer geschützt werden soll und wie effektiv ein solcher Wall tatsächlich sein kann, sind die Fragen, mit denen sich die Passanten hier an diesem Dienstagmittag beschäftigen.

Für Franz ist es klar: Irgendwer verdient hier wieder eine Menge Geld. Er sei selbst Beamter in einem der umliegenden Ministerien, stehe kurz vor der Pension. Bisher habe er nie Angst gehabt, dass ihm etwas passiert.

"Verarschung der Bevölkerung"

DER STANDARD

Auch Dieter hat kein Verständnis für den Bau. In die Kamera des STANDARD sagt der pensionierte Architekt, dies sei eine "Verarschung der Bevölkerung und eine Erzeugung von Angst". Die Schutzbauten seien für nichts gut. Er schlägt die Flaktürme im Esterházypark und im Augarten als Schutzbunker für die Regierung vor.

"Wo hört das auf?"

Ganz so hart ins Gericht geht Hubert mit der Sicherheitsmaßnahme der Bundesregierung nicht. Fall etwas passiert, wolle man sich später nicht vorwerfen lassen, dass man nichts getan habe, nun baue man eben diesen Schutzwall, vermutet er.

Die Effektivität stellt aber auch er infrage. "Wo hört das auf? Wo bauen wir als Nächstes eine Mauer? Um das Parlament? Um das Rathaus? Um jede Behörde und Botschaft?", übertönt Hubert den Baustellenlärm. Er sei selbst in der Sicherheitsbranche tätig und rät, sich davor zu hüten, unterschiedliche Sicherheitsstandards für die genannten Institutionen einzuführen. "Oder ist ein Nationalratsabgeordneter weniger wert als der Bundeskanzler?"

Stillstand in der Demokratie

DER STANDARD

Investmentbanker Gabriel aus Hessen schlendert als Tourist durch die Wiener Innenstadt. Dass hier eine Mauer gebaut wird, sieht er als Scheitern der Demokratie. "Immer wenn Mauern gebaut werden, ist das ein Zeichen, dass die Demokratie nicht weiterkommt", sagt er zum STANDARD. Mauern würden Menschen abschrecken und der Demokratie keinen guten Dienst erweisen.

Was die Mauer konkret bewirken soll, fragt sich auch Gerhard. Er ist bei einem Magistrat angestellt und will so wie die meisten Befragten seinen vollen Namen und sein Gesicht nicht in der Zeitung sehen. Er glaubt, wenn "jemand etwas Böses machen will, dann wird er es auch durchsetzen". Er weist darauf hin, dass beispielsweise auch Drohnen eingesetzt werden können, um Barrieren zu überwinden. Gerhard fragt sich, wo das alles hinführen soll. "Dann können wir alles einzäunen und Netze drüberspannen und Mauern davorstellen." (Katrin Burgstaller, 5.9.2017)