Wien – Die Umfragewerte der Grünen sind schlecht. Kein Grund zu verzagen. Ulrike Lunacek hat genug Erfahrung damit, dass die Grünen "Umfragekaiser" waren – und die hochgerechneten Ergebnisse nicht erreichen konnten. Diesmal, versichert sie unter dem Applaus von zwei Hundertschaften von Grün-Anhängern beim Wahlkampfauftrakt im Wiener Ballhaus, "diesmal werden wir es umdrehen".

DER STANDARD

Die Voraussetzungen dafür sind nicht einfach – nicht zuletzt wegen einer Gegenkandidatur aus den eigenen Reihen, was es seit den frühen 1990er-Jahren nicht mehr gegeben hat. Für den ehemaligen Mitstreiter Peter Pilz haben die Grünen am Montagabend aber nur Verachtung über: Dieser habe seine eigene Parteigründung lange geplant – und er vertrete Werte, die kein Grüner mittragen könnte.

Grünen-Spitzenkandidatin Lunacek macht es an dem Beispiel fest, dass Pilz für eine Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft von Unternehmen in der Wirtschaftskammer eintrete. Das würde dazu führen, dass Arbeitnehmer in Unternehmen, die aus der Kammer austreten, unter das kollektivvertraglich vereinbarte Lohnniveau fallen würden.

"Das ist grün"

Die Grünen würden auch ihre Haltung zu den Menschenrechten nicht aufgeben – und sie würden "lebensnahe Lösungen für die Probleme unserer Zeit" anbieten. "Das ist grün", erklärt Lunacek das Motto des Abends. Schon vor ihr ist der stellvertretende Parteichef Werner Kogler auf die Bühne getreten – von Parteichefin Ingrid Felipe ist weit und breit nichts zu sehen.

Grüner Wahlkampfauftakt im Wiener Ballhaus.
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Also übernimmt es Kogler, die Vorzüge der Parteiarbeit zu preisen und die parteipolitischen Angriffe auf die Mitbewerber vorzutragen. Er tut das im Gegensatz zu Lunacek ohne Manuskript, aber mit besonderer Schärfe, wenn es um die Gegner geht. "Die FPÖ ist angehalten, größere Bierzelte zu mieten, damit sie ihre 'Einzelfälle' in Reih und Glied bringen kann", sagt er zu den Rechtsabweichlern bei den Freiheitlichen.

Türkiser Pyjama, grüne Kämpfer

Den Bundesländer-Vertretern in der ÖVP wirft Kogler vor, sie hätten sich einen türkisen Pyjama übergezogen und stellten sich angesichts der Pläne von Sebastian Kurz schlafend. Den Sozialdemokraten hält er vor, dass die stabile Kraft in der rot-grünen Wiener Landesregierung doch die Grünen seien. Lunacek legt nach und wirft der SPÖ vor, unter Christian Kern einen "noch nie da gewesenen Rechtskurs" zu nehmen.

Seinen Parteifreunden impft Kogler ein, dass die Grünen mehr gebraucht würden denn je: "Wir sind nicht in die Politik gegangen, um es uns einfach zu machen, sondern weil wir kämpfen wollen."

Mitmenschlichkeit als grüne Haltung – Ulrike Lunacek erklärt: "Das ist grün."
Foto: Matthias Cremer

Kogler und Lunacek reden viel von Zusammenhalt und Aufholjagd, sie beschwören die moralische Haltung der Grün-Bewegten und bekennen sich dazu, dass der Staat Aufgaben übernimmt, die andere nicht so gut leisten können, "jawohl, wir sehen das positiv", sagt Kogler allen Gegnern des Etatismus. Lunacek ihrerseits spielt ihre Erfahrungen als Europapolitikerin aus und sagt, dass Europa in Österreich beginnen müsse – "das heißt auch: Wir machen nicht blau." Sie bekommt Applaus für ihr Eintreten für Erbschafts- und Schenkungssteuern (mit niedrigem Einstiegsniveau), vor allem aber für die Aufforderung, die grünen Ideen offensiv zu vertreten. Eine schlechte Ausgangslage müsse demnach eher Ansporn sein. (Conrad Seidl, 4.9.2017)