Gipfel jagt Gipfel: Bundeskanzlerin Merkel mit den Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, Horst Seehofer und Stephan Weil (v. li.) nach dem Dieseltreffen mit Städten und Gemeinden.

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St. Pölten / Wien – Der österreichische Fahrzeughandel ist stinksauer auf Politik und Fahrzeughersteller. Der Dieselmotor sei gezielt gepusht worden, und jetzt habe Österreich mit 60 Prozent Dieselanteil das weit größere Dieselproblem als Deutschland, wo der Dieselanteil bei Pkws nur 30 Prozent ausmacht. Allen voran die 1,8 Millionen Fahrzeuge der Abgasklassen Euro 0 bis Euro 3 gehörten weg, sagt Josef Schirak, Gremialvorsteher des Bereichs Einzelhandel der Sparte Fahrzeughandel in der Wirtschaftskammer.

Rabatte reichen nicht

Mit den von der Autoindustrie angebotenen Rabatten lasse sich das sicher nicht bewerkstelligen. Für wirkungsvoller hält er eine Ökoprämie wie 2009, zu der Hersteller, Händler und Staat zu gleichen Teilen beitrugen. Eine solche werde vom Finanzminister aber abgelehnt, weil dies nur Vorziehkäufe auslöse, sagte Schirak im Gespräch mit dem STANDARD.

Die nun aufgesetzten Kaufprämien für Elektroautos könnten echte Verschrottungsprämien nicht ersetzen, sie seien auch kaum ein Anreiz. "Die 4000 Euro Prämie für ein Elektroauto kriegt der Kunde schon", sagt Schirak. Aber für seinen gebrauchten Diesel, den er vor einem halben Jahr gekauft hat, kriegt er nicht mehr 15.000, sondern nur 10.000 Euro.

Das hebt sich also wieder auf. Daher sind die angebotenen Prämien ein Witz", schäumt der langjährige Kammervertreter, der vor mehr als 40 Jahren in St. Pölten mit Landmaschinen ins Kfz-Geschäft eingestiegen ist. Mittlerweile führt den Kfz-Handel (Jaguar, Volvo, Nissan, Hyundai) sein Sohn.

Handel mit Einbußen

Aktuell lägen erst für sieben Marken Umtauschaktionen vor, sagt Schirak, ein ausgegorenes Programm fehle. Übrig bleibe der Handel. "Das Problem mit dem Diesel haben wir. Wir haben bereits zehn bis zwanzig Prozent des Kaufpreises verloren." Damit sei die Hälfte des Jahresgewinns der Branche weg. Die von Verkehrsminister Jörg Leichtfried ausverhandelte Dieselprämie diene augenscheinlich dazu, die Dieseldebatte einzudampfen. "Den Verlust haben wir schon hier stehen", sagt der Fahrzeughändler und zeigt auf Premiumfahrzeuge auf dem Gelände, die bestellt, aber nicht mehr gekauft wurden.

Vor der Verschrottung von Euro-4- oder gar Euro-5-Diesel-Pkws warnt Schirak, das sei "volkswirtschaftlicher Schwachsinn", weil Werte vernichtet und Kunden auch noch um die Differenz zwischen Neuwagenpreis und Gebrauchtwagenerlös umfielen. Angesichts sinkender Nachfrage breche dem Handel die Grundspanne weiter zusammen, die ohnehin nur bei acht bis zwölf Prozent liege.

"Die Kunden nutzen unsere Notlage natürlich aus." Sinnvoller wären Umrüstungen von Euro-5-Diesel, aber sie sind nicht flächendeckend vorgeschrieben. Bis dato ist nur VW verpflichtet. "Wir haben 2,8 Millionen Dieselautos in Österreich, dieses Problem lässt sich nicht so schnell lösen", sagt Schirak, der sich von Politik und Brüssel "vernünftige Spielregeln" wünscht, "aber bitte keine utopischen".

Mehr Geld für Luftverbesserung

Der zweite Dieselgipfel brachte am Montag eine Aufstockung des im August von Autoindustrie und Bund beschlossenen Fonds für Maßnahmen zur Verbesserung der Luftgüte in Städten und Gemeinden.

Es wird eine Milliarde Euro geben statt 500 Millionen Euro, kündigte Kanzlerin Angela Merkel an. Die zweite Hälfte kommt vom Bund. Das Geld könnte etwa zur Umrüstung städtischer Busflotten genutzt werden. Die im August beschlossenen Kaufanreize der deutschen Autobauer für den Austausch alter Diesel scheinen zu wirken: Wohl ging der Anteil der Selbstzünder im August von 45,3 auf 37,7 zurück, insgesamt wurden aber 253.679 Pkws neu zugelassen. Das sind um 3,5 Prozent mehr als vor einem Jahr. (Luise Ungerboeck, 4.9.2017)