Wien – Eine Stunde lang ist Orhan C. Montagvormittag mit seinem Auto durch Simmeringer Gassen gekurvt, wie er sagt. Inzwischen hat er sich am Ende einer Sackgasse nahe der Grenze zum Bezirk Favoriten ins Halteverbot gestellt und wartet, bis in Sichtweite ein Platz frei wird. "Ich wohne da oben", C. zeigt auf einen Wohnbau direkt vor ihm. "Meine Kinder warten auf mich." Seit 17 Jahren lebe er hier, seit drei bis vier Monaten sei die Parkplatzsituation schwierig, seit zwei Wochen unerträglich.

Seit Montag ist auch in Favoriten das Parkpickerl in Kraft, und es gibt jede Menge an freien Parkplätzen. Einen Stau gab es hingegen am Bezirksamt, weil sich Hunderte das Pickerlnoch besorgen wollten.
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Simmering könnte aber zum achtzehnten Wiener Bezirk mit Parkraumbewirtschaftung werden. Die Bezirksvorstehung will demnächst über das Parkpickerl abstimmen lassen. "In drei Wochen geht die Befragung heraus", verriet Bezirksvorsteher Paul Stadler (FPÖ) am Montag im STANDARD-Gespräch. In rund zwei Wochen seien die Fragebögen gedruckt, dann würden sie an rund 70.000 Simmeringer versandt. Die Bürger hätten drei Wochen Zeit, um die Fragebögen auszufüllen. Nach der Nationalratswahl, die am 15. Oktober stattfindet, werde ausgezählt.

Grafik: Standard/Stadt Wien/APA

Zwei Zettel werden versandt

Zum einen finde sich ein Abstimmungszettel zur Parkraumbewirtschaftung mit einer Ja/Nein-Frage im Kuvert. Zweitens ein Zettel, auf denen der Bezirk weitere Informationen erfrage, wie Stadler erklärt. Abgefragt wird dort etwa, ob man die österreichische Staatsbürgerschaft besitze oder EU-Bürger sei oder keines von beidem, wie lange man im Bezirk wohne und ob man viel mit dem Auto, den Öffis oder dem Fahrrad fahre. "Das fließt in die Auswertung der Parkpickerlabstimmung nicht mit ein", versichert Stadler. Die Zusatzfragen sorgten im Vorfeld für jede Menge Kritik. Eine Abstimmungsstimme sei jedenfalls auch gültig, wenn man den Zusatzzettel nicht ausfülle, versichert der Bezirksvorsteher.

Favoritner Parkpickerl seit Montag

Am Montag gingen in der Bezirksvorstehung laut Stadler "keine nennenswerten Beschwerden" wegen der neuen Parksituation ein. Im zehnten Bezirk gilt nämlich seit heute, Montag, das Parkpickerl, das Bürger mit Hauptwohnsitz im Bezirk erwerben können.

Es kostet 90 Euro Parkometerabgabe im Jahr zuzüglich Gebühren. Ohne das Pickerl darf das Auto wochentags von 9 bis 19 Uhr maximal drei Stunden gebührenpflichtig in der den Großteil des Bezirks umfassenden blauen Zone parken.

In der Grillgasse waren alle Parkplätze belegt – viele von Fahrzeugen mit ausländischen Kennzeichen oder aus Niederösterreich oder dem Burgenland.

"Bei uns ist alles frei"

Ein im Zehnten wohnender Freund von Yussuf A. genießt die neue Ruhe: "Bei uns ist heute alles frei", sagt er und lacht. Yussuf A.s Fahrzeug steht unterdessen mit Alarmblinker in einer Seitengasse der Grillgasse im elften Bezirk nahe dem Enkplatz in zweiter Spur. "Zwei Stunden pro Tag suche ich einen Parkplatz", ärgert sich A. "Ich zahle lieber. Wir brauchen das Parkpickerl auch!"

Parken in zweiter Spur: Für manche der einzige Ausweg am Montag in Simmering.

Dort findet man an den Straßenrändern auch viele Pkws mit ausländischen Kennzeichen. In der Grillgasse sind es etwa deutsche, polnische, rumänische und belgische Nummerntafeln. Aber auch viele Niederösterreicher und Burgenländer stellen ihre Autos dort ab.

Favoriten: Zwei neue Park-and-Ride-Anlagen

In Favoriten können Pendler, Wien-Besucher oder Wiener aus anderen Bezirken ihre Autos nur noch auf kostenpflichtigen Parkplätzen oder Park-and-Ride-Anlagen einen Tag oder länger parken. Der ÖAMTC kritisiert, dass es viel zu wenige davon in den Randgebieten gibt – vor allem in Favoriten. Denn von den rund 140.000 Pendlern, die täglich mit dem Auto nach Wien fahren, kämen die meisten aus dem Süden.

Im Rahmen der U1-Erweiterung wurden zwei neue Park-and-Ride-Anlagen gebaut: Eine mit 256 Plätzen bei der neuen U1-Endstation Oberlaa, eine mit 92 Plätzen bei der Station Neulaa. Ein Lokalaugenschein pünktlich zum Start des Parkpickerls in Favoriten am Vormittag zeigt, dass es noch viel Luft nach oben gibt: In Oberlaa ist der Großparkplatz mit 80 Autos nicht einmal zu einem Drittel gefüllt, in Neulaa stehen nur 12 Autos.

Die große Anlage in Oberlaa wirkt vorerst noch wenig einladend: Der Parkplatz ist nicht asphaltiert, es gibt keine Parklinien, Lichtmasten stehen auf provisorischen Betonsockeln. Am Montagvormittag gab es viele freie Parkplätze.
Foto: David Krutzler

Beide Anlagen werden vom stadtnahen Unternehmen Wipark betrieben. Ein Tagesticket in Oberlaa kostet 3,40 Euro, ein Monatsticket kommt mit einem Wochen-, Monats- oder Jahresticket der Wiener Linien auf 52,30 Euro.

Die neue Park-and-Ride-Anlage in Neulaa fasst 92 Parkplätze. Am Montagvormittag parkten dort nur 12 Autos.
Foto: David Krutzler

Die große Anlage in Oberlaa wirkt vorerst noch wenig einladend: Der Parkplatz ist nicht asphaltiert, es gibt keine Parklinien, Lichtmasten stehen auf provisorischen Betonsockeln, in Richtung U-Bahn ist ein Erdwall aufgeschüttet. Die vielen freien Parkplätze nützt eine Fahrschule, um mit ihren Schülern einparken zu lernen.

"Viel los" war hingegen vor dem und im Magistratischen Bezirksamt in Favoriten, wie Manuela Sachs, die Büroleiterin der Bezirksvorstehung, bestätigte. 800 Anträge seien alleine am Montag bearbeitet worden, hieß es zum STANDARD. Bis dato sind rund 29.500 Anträge für ein Parkpickerl eingelangt, die Stadt rechnete im Vorfeld mit insgesamt bis zu 40.000 Anträgen. Im Bezirk sind rund 64.000 Autos zugelassen.

Laut Sachs ist mit einem Abflauen des großen Andrangs in der kommenden Woche zu rechnen. Das Bezirksamt habe jedenfalls auch am kommenden Samstag von 8 bis 13 Uhr geöffnet.

Kritik von FPÖ und ÖVP

Die Oppositionsparteien FPÖ und ÖVP kritisierten das Parkpickerl in Favoriten heftig. Dieses sei eine "Abzocke", sagte der freiheitliche Wiener Vizebürgermeister Johann Gudenus. Zudem würden sich "massive Nachteile für Simmering" ergeben, wo die FPÖ den Bezirkschef stellt. Ob auch in Simmering das Parkpickerl eingeführt werden soll, müssten die Bürger in der Befragung entscheiden, sagte Gudenus. Er spreche sich nicht gegen das Parkpickerl aus, dieses müsse allerdings kostenlos für alle Wiener sein.

Gudenus fordert 90.000 zusätzliche Park-and-Ride-Stellplätze in Wien. Auch die Park-and-Ride-Plätze sollten für Besitzer einer Öffi-Jahreskarte in Wien gratis sein, für alle anderen sollten diese einen Euro pro Tag kosten. Laut dem Büro von Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou (Grüne) sind derzeit 10.500 Park-and-Ride-Stellplätze in Wien verfügbar, langfristig sollen 6.800 dazu kommen.

"Die Schikanen und die Abzocke der Wiener Verkehrspolitik" würden damit fortgesetzt, beschwerten sich der Wiener ÖVP-Klubobmann Manfred Juraczka und der Favoritner ÖVP-Bezirksparteiobmann Nico Marchetti in einer Aussendung – in der sie auch kritisierten, dass "ausgerechnet die FPÖ sich als großer Gegner des Parkpickerls geriert". (David Krutzler, Gudrun Springer, 4.9.2017)