Wien/Innsbruck – Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) und sein Herausforderer Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) setzen sich im laufenden Wahlkampf auch mit zweifelhaften Botschaften aus-einander. Kern veröffentlichte am Freitag auf seiner Facebook-Seite ein Video, in dem er sich jenem Ort widmet, an dem "bekanntlich Politik gemacht wird" – dem Stammtisch. Kurz wiederum legte bei einer Veranstaltung in Alpbach in Sachen Neiddebatte nach und bekräftigte seinen faktenmäßig nicht stimmigen Vergleich bezüglich Mindestsicherungsbezug einer Flüchtlingsfamilie.

Kanzler Kern mimt im Landgasthaus Buchner im obersteirischen Admont den verständnisvollen Zuhörer, während am Stammtisch gegen Muslime und Zuwanderer gewettert wird. Man müsse "bereit sein, sich die Wahrheiten anzuhören", sagt Kern.

spoevideos

Welche "Wahrheiten" im neuesten Wahlwerbevideo der SPÖ verbreitet werden: Österreich sei römisch-katholisch und evangelisch, womöglich gebe es noch ein paar freie Christen, sagt die Protagonistin im Video. Alles andere wolle sie hier nicht. Und sie sehe nicht ein, warum sie wegen eines "Paschas" nicht mehr den Gehsteig in Admont benützen dürfe. Verständnisvoll lächelnd und nickend nimmt Kern die Tiraden zur Kenntnis. Die positive Nachricht des Kanzlers für die Stammtischrunde am Ende des Clips: In Österreich wurde ein Burkaverbot beschlossen.

Kurz erhöht auf 2700 Euro

Herausforderer Kurz widmete sich bereits am vergangenen Dienstag beim Kamingespräch des Club Alpbach Niederösterreich wieder dem Vergleich Inländer und Ausländer. Bei seinem Tirolbesuch wurde er von einem offenkundigen Anhänger auf seinen vieldiskutierten Einkommensvergleich zwischen einem Mindestpensionisten und einer Flüchtlingsfamilie angesprochen. Kurz hatte im ORF-Interview behauptet, dass er es als falsch erachte, wenn eine Flüchtlingsfamilie, die noch nie etwas ins Sozialsystem einbezahlt habe, monatlich 2000 Euro netto bekomme, während ein Pensionist nur 1000 Euro erhalte.

Ob solche "leichten Parolen" nicht besser zur FPÖ passen würden, wurde Kurz gefragt. Der erwiderte, dass er sich lediglich "in die Leute einfühle", denen dieses Thema unter den Nägeln brenne. Um das zu untermauern, bemühte er erneut Zahlen.

Diesmal verglich er einen Bäcker "mit ein paar Kindern" und Frau, die zu Hause ist, mit einer Flüchtlingsfamilie "mit gleich vielen Kindern". Beide, so rechnete Kurz in einem dem STANDARD vorliegenden Mitschnitt des Gespräches vor, kämen monatlich auf rund 2700 Euro netto. Diese Behauptung habe nichts mit Populismus zu tun, führte er aus. Dass schon sein erster Vergleich wenig mit der Realität zu tun hatte, irritierte Kurz nicht: Er nehme eben die Sorgen der Menschen ernst. (Steffen Arora, 4.9.2017)