Neben den schon üblichen Gemeinplätzen hat Sebastian Kurz im "Sommergespräch" mit Tarek Leitner zwei Beiträge zur Erhellung seines Charakters als Politiker geliefert, für die man als Wähler, der sich ein Bild von den Spitzenkandidaten machen will, dankbar sein sollte. Der eine bestand in der bewussten Unterstellung, die SPÖ würde eine 100.000-Euro-Spende Hans Peter Haselsteiners intransparent in "Briefkastenvereine oder andere Vereinskonstruktionen" verschwinden lassen. Dass Haselsteiner nach eigenen Worten nicht einmal daran denkt, der SPÖ zu spenden, sondern die Neos begünstigt, war schon vor Montag bekannt. Und dass Kurz da etwas verwechselt habe, wie manche zu seinen Gunsten vermuten, kann man ausschließen, hat doch Leitner ausdrücklich nachgefragt, ob Kurz nicht von den Neos spreche, und die Antwort erhalten: "Nein, von der SPÖ."

Kurz kann damit den Ruhm für sich beanspruchen, in diesem Wahlkampf als Erster zur Dreckschleuder gegriffen zu haben. Er hat es vielleicht getan, um von den Unklarheiten in seiner eigenen Spendenbuchhaltung abzulenken. Auf seiner Homepage ist die 436.563 Euro hohe Spende des Industriellen Stefan Pierer als am 4. August 2017 eingelangt vermerkt, aber mehr als drei Wochen später dem Rechnungshof noch nicht gemeldet, weil laut ÖVP noch nicht überwiesen. Da kann man für sie nur hoffen, dass der KTM-Chef es sich nicht noch anders überlegt oder die Summe auf 436.560 Euro abrundet, damit alles gerade erscheint.

Den Vorgang nun dem Publikum als "vorauseilende Transparenz" schmackhaft machen zu wollen könnte man als Wählerverhöhnung abtun, würde nicht ein anderes Beispiel zeigen, welche Akkuratesse die Liste Kurz bei Spendenmeldungen eigentlich an den Tag legt. Von den 50.000 Euro der Kaindl KG soll der Rechnungshof verschont bleiben, weil die Spende erst 1 Cent – in Worten: einen Cent – darüber dem Interesse der Kontrollore ausgesetzt werden müsste. Wer es so genau nimmt, dem muss Transparenz ein überwältigendes Anliegen sein.

Um eine zweite Entlarvung des türkisen Erlösers hat sich H.-C. Strache verdient gemacht. Er habe vorher nichts gewusst, Reinhold Mitterlehners Rücktritt als ÖVP-Obmann habe ihn ebenso überrascht wie alle anderen, beteuerte Kurz vor Leitner. Wenn der Schock dieses Abgangs an Kurz zumindest äußerlich keine Spuren hinterlassen hat, dürfte das – wie aus einem Papier hervorgeht, das der FPÖ vor mehr als einem Jahr zugespielt und von Strache nun publik gemacht wurde – daran liegen, dass, schon als Mitterlehner noch im Amt war, an Strategiepapieren für einen Parteichef Kurz – "Projekt Ballhausplatz" – gearbeitet wurde. Das dürfte die Überraschung über Mitterlehners Rücktritt bei Kurz etwas abgefedert haben, auch wenn der es vor Leitner aus Ehrlichkeit nicht zugeben wollte.

In diesen Strategiepapieren wird der FPÖ-Chef Kurz als taktisches Vorbild empfohlen. Verständlich, dass Strache gekränkt ist, wenn nun der Lehrbub den Meister überholt. Da gilt es, persönliche Empfindlichkeiten zurückzustellen, sind damit doch auch die besten Voraussetzungen für Schwarz-Blau gegeben. (Günter Traxler, 31.8.2017)