Gruppenbild mit Ministerin: Johanna Wanka zwischen dem Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz (links) und XFEL-Direktor Robert Feidenhans'l.
Foto: APA/AFP/TOBIAS SCHWARZ

Hamburg – Der experimentelle Röntgenlaser European XFEL steht ab sofort Forschern zur Verfügung: Betreiber und Vertreter der elf an dem Projekt beteiligten Länder feierten am Freitag den Beginn des Betriebs. "Mit dem European XFEL ist eine weltweit einzigartige Anlage der Spitzenforschung entstanden, die bahnbrechende Erkenntnisse über die Nanowelt verspricht", sagte die deutsche Bundesforschungsministerin Johanna Wanka zur Eröffnung.

Die 1,2 Milliarden teure Anlage soll dreidimensionale Detailaufnahmen von Molekülen, Zellen und Viren möglich machen. Auch das Filmen chemischer Reaktionen ist geplant. Dafür werden in einem 3,4 Kilometer langen unterirdischen Tunnel ultraschnelle Röntgenblitze erzeugt. Die größten Geldgeber sind Deutschland und – mit deutlichem Abstand – Russland. Die Abkürzung XFEL steht für X-Ray Free-Electron Laser, auf Deutsch Röntgenlicht-Freie-Elektronen-Laser.

Wissenschafter aus Russland und Großbritannien sowie vom Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY) in Hamburg-Bahrenfeld und vom XFEL-Projekt selbst sollen Mitte des Monats die ersten Experimente durchführen. Dabei geht es unter anderem um die Struktur von Proteinen.

Laser-Show im Vorfeld der Eröffnung.
Foto: APA/dpa/Christophe Gateau

Das Gerät erzeugt extrem starke, aber ultrakurze Röntgenblitzkaskaden, die dieselben Eigenschaften wie Laserlicht haben. Damit lassen sich 3D-Aufnahmen von kleinsten Strukturen wie einzelnen Atomen oder Molekülen machen. Nach Angaben des XFEL-Betreibers eröffnet dies der Forschung neue Möglichkeiten, zum Beispiel bei der Entwicklung von Medikamenten oder Werkstoffen mit völlig neuen Eigenschaften.

Mit den 3D-Röntgenblitzen lassen sich unter anderem Strukturen von Viren entschlüsseln oder quasi "filmen", wie sich Moleküle bei chemischen Reaktionen trennen oder verbinden. Darüber hinaus lassen sich die Strahlen auch bündeln und dazu nutzen, Materie in extremste Druck- und Temperaturzustände zu versetzen. Damit lassen sich auch Vorgänge im Inneren von Planeten simulieren.

Die Anlage

Die XFEL-Anlage ist an das seit längerem bestehende Deutsche Elektronen-Synchroton (DESY) im Hamburger Stadtteil Bahrenfeld angegliedert und führt von dort bis ins 3,4 Kilometer entfernte Schenefeld auf dem Gebiet des deutschen Bundeslandes Schleswig-Holstein. Der größte Teil der Einrichtung befindet sich in unterirdischen Tunneln, in denen die Röntgenblitze in einem technisch enorm komplexen Verfahren erzeugt und für Experimente genutzt werden.

Blick ins Tunnelsystem der Anlage.
Foto: APA/AFP/European XFEL/HEINER MUL

Überirdisch gibt es insgesamt drei separate Betriebsgelände, das größte befindet sich in Schenefeld. Dort liegt auch der Forschungscampus, auf dem Spezialisten aus aller Welt mit dem Röntgenlaser arbeiten sollen.

Der Prozess

Die Erzeugung der extrem starken Röntgenblitze erfolgt in einem mehrstufigen Prozess. Zunächst werden Elektronenpakete durch Laserbeschuss eines Metallstücks erzeugt und in einem 1,7 Kilometer langen Teilchenbeschleuniger so stark beschleunigt, dass sie fast mit Lichtgeschwindigkeit fliegen. Dieser besteht aus supraleitenden sogenannten Resonatoren aus dem Metall Niob, die auf minus 271 Grad Celsius abgekühlt werden und in denen Mikrowellen schwingen. Deren Energie überträgt sich dabei auf die Elektronen.

In der zweiten Stufe wird der extrem schnelle Elektronenstrahl durch speziell angeordnete Magnete gejagt, die ihn auf einen engen Slalomkurs zwingen. Während der Achterbahnfahrt durch die sogenannten Undulatoren senden die Elektronen Röntgenlicht aus, das sich immer weiter selbst verstärkt. So entstehen 27.000 Röntgenlichtblitze pro Sekunde, wobei einer kürzer als 100 Billiardstel Sekunden dauert. Diese Rate ist weltweit einmalig.

Die Anlage aus der Vogelperspektive.
Foto: APA/AFP/European XFEL/REIMO SCHA

Das Röntgenlicht strahlt in der Spitze milliardenfach stärker als das aus den besten herkömmlichen Röntgenquellen und hat eine ultrakurze Wellenlänge von 0,05 bis 4,7 Nanometer. Das ist so klein, dass damit atomare Details sichtbar gemacht werden können. Die eigentlichen Experimente erfolgen an Arbeitsstationen, auf welche die Strahlen mit Spiegeln, Gittern oder Kristallen gelenkt werden. Dort treffen sie auf Materialproben, mit denen sie in Wechselwirkung treten. Spezialgeräte halten diese Vorgänge fest. (APA, 30. 8. 2017)