Zum Wahlkampf in Österreich ist Tayyip Erdoğan noch nichts eingefallen. Keine Empfehlung zum Wahlboykott der "Türkeifeind-Parteien", kein Wacheln mit der Gründung einer Austrotürken-Partei zur Sammlung aller Stimmen für den türkischen Staatschef. Aber nach der Einmischung in den Bundestagswahlkampf in Deutschland kommt auch die Zensurenvergabe für die Nationalratswahl in Österreich. Bei Erdoğans täglichen Brandreden ist das nur eine Frage der Zeit.

Mit der einen Hand aufpeitschen, mit der anderen väterlich beruhigen gehört zum Rüstzeug des Populisten. Nach der Wahl in Deutschland wird das Verhältnis zur Türkei wieder friedlich, so versichert Erdoğan dieser Tage seinen Bürgern. All die schroff gewordenen Kommentare aus Berlin, die Warnungen vor Reisen und Investitionen in der Türkei: reines Wahlkampfgeplänkel beim größten Wirtschaftspartner der Türken und bei der wichtigsten Macht in der EU. Das dürfte ein ziemlicher Irrtum sein.

Keine Beruhigung in Sicht

Denn sehr wahrscheinlich beruhigt sich nach der Wahl zum Bundestag und Nationalrat genau nichts für die Erdoğan-Türkei. Der Geduldsfaden ist gerissen. Gleichgültig wer die Wahlen in Wien und Berlin gewinnt, mit mehr Verständnis wird der autoritär herrschende Staatschef nicht rechnen können. Die deutschen Staatsbürger, die er als "Geiseln" in Haft hält, wie Außenminister Sigmar Gabriel festgestellt hat, werden ja nun nicht plötzlich freikommen. Schon gar nicht die türkischen Regierungskritiker und Oppositionsabgeordneten, die Erdoğan ins Gefängnis werfen ließ. Man wird sie mittlerweile nennen dürfen, was sie sind: politische Gefangene.

Europa ändert seinen Kurs gegenüber dieser Türkei von Tayyip Erdoğan: von der Kooperation zur Eindämmung. Der Glaube oder die Hoffnung ist dahin, man könnte dem Autokraten in seinen Palästen in Ankara und in Istanbul gut zureden, ihn mit politischen und wirtschaftlichen Angeboten zum Einlenken bewegen oder gar mit Argumenten überzeugen. Die Europäer schalten um, selbst so treue Türkei-Freunde wie Schweden und so langmütige Partner wie Deutschland.

Spielplan gegen einen Feind

Die Politik der Eindämmung kehrt immer wieder zurück auf die Bühne der internationalen Politik. Derzeit gegen Nordkorea, vor nicht langer Zeit und – ginge es nach der Trump-Regierung – bald wieder gegen den Iran; besonders aber als Antwort der USA auf die Sowjetunion Anfang der 1950er-Jahre. "Eindämmung" war das Skript des Kalten Kriegs, ein Spielplan gegen einen Feind.

Jetzt aber geht es um die Eindämmung eines Verbündeten: des Nato-Mitglieds Türkei, das einmal Teil der Europäischen Union werden sollte. Nicht, solange Erdoğan regiert, hat Berlin sich festgelegt.

Andere in Europa, nicht zuletzt Kanzler und Außenminister hierzulande, gelangten schon früher zu dieser Einsicht. Die Europäer beginnen nun Erdogan politische Felder wegzunehmen und den Spielraum der Führung in Ankara einzuschränken: Die Beitrittsverhandlungen sind faktisch eingefroren, die Vertiefung der Zollunion hat Deutschland abgesagt, die Teilnahme der Türkei an Interpol wollen die Europäer begrenzen, das Ende der Zusammenarbeit bei der Verteidigung ist kein Tabu mehr – die Bundeswehr zog schon aus Incirlik ab.

Für die Sowjetunion wurde der Kalte Krieg am Ende zu teuer. Für Erdoğan mag es erst recht so kommen. (Markus Bernath, 25.8.2017)