Wien – Die "Ultras Rapid", fanatische Anhänger des in der Vergangenheit recht erfolgreichen Fußballklubs Rapid, fühlen sich derzeit ungerecht behandelt. "Die wahren Verbrecher hier seid ihr – Journalisten Terroristen" konstatierten sie auf einem Transparent beim jüngsten Heimspiel im ehemaligen Gerhard-Hanappi-Stadion, einer mittlerweile nach einem Versicherungskonzern benannten Arena in Wien-Hütteldorf. Dass das eher dem Schleudern von Felsbrocken in einem Glashaus gleichkommt, zeigt der Wiederbetätigungsprozess gegen Hannes S. unter dem Vorsitz von Ulrich Nachtlberger.

"Ultras 88 war mein Leben. Jetzt nicht mehr. Seit dem Stadionverbot", verrät der 39-jährige Angeklagte dem Geschworenengericht. Am 13. August 2016 hat er im Stadion nämlich mehrmals den Hitlergruß gezeigt, was nicht nur zum Ausschluss von den Rängen, sondern auch zum ersten Punkt der Anklage geführt hat. Der zweite Punkt: Auf seinem rechten Handrücken hat er sich 2013 die Zahl 88 in einem Lorbeerkranz tätowieren lassen. In rechtsextremen Kreisen steht die 88 für zweimal den achten Buchstaben des Alphabets – und HH ist dabei die Abkürzung von "Heil Hitler".

15 Jahre Ultra und zehn Vorstrafen

Herr S. ist seit 21 Jahren Rapid-Fan, seit 15 Jahren bei den Ultras, arbeitslos, hat fünf Kinder und doppelt so viele Vorstrafen, die jüngste aus dem Jahr 2013. Damals bekam er in Linz eine bedingte Strafe – wegen Wiederbetätigung. Nun bekennt er sich im Fall des Zeigens des Hitlergrußes schuldig. Leugnen wäre auch schwer, er wurde von den Kameras im Stadion gefilmt. Einen Hintersinn der Tätowierung bestreitet er dagegen: "Das ist das Wappen der Ultras! Sie wurden 1988 gegründet!", beteuert er.

Vorsitzender Nachtlberger versucht zunächst das Motiv für den Hitlergruß zu ergründen: "Warum machen Sie das?" – "Ehrlich gesagt habe ich mir nichts dabei gedacht." – "Angesichts der einschlägigen Vorstrafe wäre es aber vielleicht ratsam gewesen, sich etwas zu denken." – "Das war eine 08/15-Aktion. Deshalb habe ich ja eh jetzt das Stadionverbot. Ins eigene Knie geschossen", konstatiert der Angeklagte.

Nazigruß während Rapid-Hymne

Die Laienrichter sind ungewöhnlich interessiert und stellen immer wieder Fragen. "Warum haben Sie das gemacht?", lautet eine. "Das war während der Rapid-Hymne." – "Und da macht man das?" – "Rapid war deutscher Meister", lautet die Antwort, die Nachtlberger ein "Ist aber auch schon ein Zeiterl her" entlockt.

Bezüglich der Tätowierung bohrt der Vorsitzende nach. "Sie sind ja in Linz unter anderem wegen Facebook-Postings verurteilt worden. Da haben Sie in einem am 20. April dem 'lieben Adi' zum Geburtstag gratuliert und mit 'Gruß 88' unterschrieben. Das hat ja nichts mit den Ultras zu tun, oder? Das ist reiner Zufall?" – "Ja", antwortet der Angeklagte. Warum er sich das Logo erst nach der Verurteilung in Linz tätowieren ließ, kann er nicht schlüssig beantworten.

Interessierte Geschworene

"Wenn Ihnen das Gründungsdatum so wichtig ist, warum lassen Sie sich dann nicht 1988 tätowieren?", wundert sich eine Geschworene. "Das würde man nicht lesen können", hört sie darauf und erfährt, dass laut der Schätzung von S. ein Viertel der Hardcore-Anhänger das Logo irgendwo auf ihrem Körper verewigt haben. Aber: "Ich würde es auch wegmachen lassen, so wichtig ist es mir nicht", bietet er an. Denn mit rechtem Gedankengut habe er überhaupt nichts zu tun, beteuert der Angeklagte.

Die Beratung dauert mit eineinhalb Stunden erstaunlich lange, am Ende stehen einstimmige Schuldsprüche in beiden Anklagepunkten. Die rechtskräftige Strafe: 18 Monate unbedingte Haft. "Die bedingte Vorstrafe hat bei Ihnen offenbar keine Wirkung gezeigt", begründet der Vorsitzende. Vielleicht hat sich aber etwas bei den sportlichen Präferenzen geändert: Denn S. trägt kein Fußballshirt, sondern ein Trikot mit Namen und Nummer eines American-Football-Spielers. (Michael Möseneder, 21.8.2017)