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Auf Barcelonas Las Ramblas stellen Menschen hunderte Kerzen auf.

Foto: AP

Barcelona – Die spanischen Behörden haben den Attentäter von Barcelona identifiziert. Aller Wahrscheinlichkeit nach handle es sich bei dem Fahrer des Tatfahrzeugs um den flüchtigen Younes Abouyaaquoub, sagte der katalanische Innenminister Joaquim Forn dem Sender Catalunya Radio am Montag. Die Fahndung nach dem 22 Jahre alten Marokkaner wurde auf alle europäischen Länder ausgeweitet.

Die Zahl der Todesopfer der Terroranschläge in der spanischen Region Katalonien stieg unterdessen auf 15. Es gelte inzwischen als erwiesen, dass der Attentäter einen 34-jährigen Spanier erstochen habe, sagte der katalanische Innenminister Joaquim Forn am Montag.

Großvater des Hauptverdächtigen entschuldigt sich

Aqbouch Abouyaaqoub, Großvater des Hauptverdächtigen Younes Abouyaaqoub, entschuldigte sich gegenüber der spanischen Zeitung "El Pais" für die mutmaßliche Tat seines Enkels: Diese habe "nichts mit der marokkanischen Kultur oder Tradition zu tun". Er betonte, dass seine Enkel das Land in sehr jungem Alter verlassen und dort ihre Ausbildung gemacht hätten.

In Marokko wurden in den vergangenen Jahren und Monaten immer wieder Terrorzellen aufgespürt und zahlreiche Verdächtige festgenommen, die Attentate in und außerhalb des Landes geplant hatten.

Rolle des verschwundenen Imams

Die Ermittler untersuchen derzeit auch verstärkt die Rolle des verschwundenen Imams Abdelkadi Es Satty. Der Imam sei in den vergangenen zwei Jahren nach Belgien sowie nach Marokko und Frankreich gereist, berichtete "El Pais" am Montag unter Berufung auf nicht näher genannte Quellen.

Während die Polizei in Spanien weiterhin nach den Mittättern des Barcelona-Anschlags suchen, haben jetzt die Behörden einen Imam ins Visier genommen. Er gilt als Schlüsselfigur und Kopf der Terrorgruppe.
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Insbesondere werde ein Aufenthalt Es Sattys 2016 in der belgischen Gemeinde Machelen untersucht, hieß es in spanischen Medien. Laut "El Pais" stand der Imam möglicherweise auch in Kontakt mit einem Anführer der Jihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS).

Es Satty wird verdächtigt, die jungen Männer hinter den Anschlägen von Barcelona und Cambrils radikalisiert zu haben. Es Satty wohnte in der Kleinstadt Ripoll in Katalonien. Von dort und von dem Ort Alcanar aus soll die zwölfköpfige Terrorzelle aus agiert haben. Ein Einwohner Ripolls sagte, seit der Imam Es Satty vor zwei Jahren in den Ort gekommen sei, habe es dort einen "Wandel" gegeben.

120 Gasflaschen gehortet

Es Satty wurde seit Dienstag nicht mehr gesehen. Nach Informationen von "El Pais" wurde er möglicherweise bei der Explosion eines Hauses in Alcanar getötet. In dem Haus hortete die Terrorzelle laut Polizei mindestens 120 Gasflaschen – offenbar waren damit noch weitaus verheerendere Anschläge, unter anderem auf die Kathedrale Sagrada Familia, eines der Wahrzeichen von Barcelona – geplant. Durch die Explosion in der Nacht auf Donnerstag wurden die ursprünglichen Anschlagspläne offenbar durchkreuzt.

Die 61-jährige französische Rentnerin Martine Groby, die neben dem Haus in Alcanar wohnt, sagte der Nachrichtenagentur AFP, sie habe seit April vier Männer gesehen, "die alle französisch sprachen". Sie seien gekommen und gegangen und hätten Waren entladen.

Bei Bekannten und Verwandten der mutmaßlichen Attentäter herrscht noch Unglauben. "Sie führten ein ruhiges Leben", sagte ein 35-Jähriger – ebenso wie die Mitglieder der Terrorzelle – gebürtiger Marokkaner, der in der nordspanischen Stadt Ripoll lebt, zu "El Pais".

"Sie sprachen perfekt Spanisch und Katalanisch"

"Niemals hätte ich sie verdächtigt", so der Mann. "Sie sprachen perfekt Spanisch und Katalanisch." Er vermutete, ebenso wie die spanische Polizei, den Imam Abdelbaky Es Satty hinter der Radikalisierung der jungen Männer. Er selbst sei zwar auch in die Moschee gegangen, habe aber von dem Imam nie ein Wort zur Terrororganisation "Islamischer Staat" gehört, sagte der Marokkaner zu "El Pais". "Ich glaube diese Botschaften sind in einer Wohnung in Barcelona vermittelt worden, nicht in der Moschee."

Wie die spanische Zeitung "El Mundo" berichtete, konnte die aus vermutlich zwölf Mitgliedern bestehende Terrorzelle bereits in den vergangenen sechs Monaten ungestört an der Vorbereitung der Anschläge arbeiten. Der katalanische Polizeichef Josep Lluis Trapero bestätigte, dass es im Zusammenhang mit dem Haus in Alcanar, in dem die Männer die Taten vorbereiteten, keine "merkwürdigen" Vorfälle gegeben habe, die Polizei deshalb auch nicht aktiv wurde.

Hausdurchsuchungen in Ripoli

Am Montag morgen hat die Polizei erneut eine Wohnung in Ripoll durchsucht. In den frühen Morgenstunden hätten katalonische Beamte in der Unterkunft im Stadtteil Sant Pere unter anderem zwei Taschen und einen Karton mit Material sichergestellt, berichteten spanische Medien am Montag.

Augenzeugen sprachen demnach von einem "beachtlichen Polizeieinsatz" mit Beamten in Uniform und Zivil. Die örtliche Polizei habe eine Straße in der Altstadt für den Verkehr gesperrt. Mehrere Quellen bestätigten der Tageszeitung "La Vanguardia", während des Einsatzes sei "großer Lärm" zu hören gewesen. (APA, AFP, 21.8.2017)