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Rivalen mit gemeinsamen Interessen: Der türkische Armeechef Hulusi Akar empfing erstmals seinen iranischen Kollegen Mohammad Bagheri. Spekuliert wird über eine koordinierte Operation in Syrien.

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Ankara/Wien – Vor einem halben Jahr ging die Melodie noch so: "Es gibt da einen persischen Nationalismus", erklärte Tayyip Erdogan während einer Reise am Golf. "Wir müssen das verhindern. Wir können bei dieser Unterdrückung nicht einfach zuschauen." Doch ein halbes Jahr ist eine Ewigkeit im Nahen und Mittleren Osten. Diese Woche empfing der türkische Staatspräsident in seinem Palast in Ankara den iranischen Armeechef. Es war eine Premiere – der erste solche Besuch seit der Islamischen Revolution im Nachbarland Iran 1979.

Mohammad Bagheri kam mit neun seiner Generäle und blieb drei Tage. Zum Ende gab er iranischen Nachrichtenagenturen die offiziellen Ergebnisse seiner Gespräche in Ankara bekannt: mehr Austausch von Geheimdienstinformationen bei der Terrorismusbekämpfung und künftig engere Zusammenarbeit der Armeen beider Länder mit Austausch von Offizieren und gemeinsamer Ausbildung. Doch die wirklichen Themen, die Erdogan und seinen iranischen Gast interessierten, sind andere.

Unscheinbarer Armeechef

Bagheri war erst im vergangenen Jahr von Irans religiösem Führer Ali Khamenei zum Armeechef ernannt worden. Der unscheinbare Bagheri folgte auf den in der Politik sehr viel präsenteren Hassan Firouzabadi, der den Posten 27 Jahre innehatte. In den Beziehungen zwischen den beiden rivalisierenden Regionalmächten Iran und Türkei geht es stets auf und ab, doch eine pragmatische, auf Stabilität ausgerichtete Politik behielt am Ende stets die Oberhand. So war etwa für die sunnitisch geprägte Führung in Ankara der Einfluss des schiitischen Iran auf die Zentralregierung im Irak in den vergangenen Jahren eine immer wachsende – und weiter ungelöste – Streitfrage. Doch gleichzeitig konnte Teheran die lange geltenden Finanzsanktionen des Westens umgehen und seine Geschäfte über den Goldmarkt in der Türkei abwickeln.

Drei regionale Brennpunkte haben nun Ankara und Teheran zusammengebracht: das am 25. September angesetzte Referendum der Kurden im Nordirak, die von Saudi-Arabien betriebene Blockade des Golfstaats Katar – eines Partners der Türkei wie des Iran – und natürlich der Krieg in Syrien.

Der iranische Armeechef erklärte nach seinen Gesprächen in Ankara, die Türkei und der Iran seien sich einig, der Volksentscheid im Nordirak über eine Unabhängigkeit werde der Sicherheit in der Region schaden. Mit dem Referendum komme es zu einer neuen Welle der Spannungen und Konflikte im Irak, sagte Bagheri dem iranischen Staatsfernsehen.

Weder Ankara noch Teheran wollen einen unabhängigen Kurdenstaat. Beide sehen darin eine Bedrohung ihrer territorialen Verfassung.

Damit ergeben sich auch gemeinsame Interessen im Krieg in Syrien. Der Iran ist zwar neben Russland die wichtigste Stütze für das Regime des syrischen Staatschefs Bashar al-Assad, dessen Sturz wiederum Erdogan wünscht. Doch der Ausbau der Allianz zwischen den USA und der Kurdenmiliz YPG im Norden Syriens ist für die Türkei wie für den Iran eine Entwicklung, die rasch gekontert werden muss.

Neuer Einmarsch in Syrien

Die türkische Armee bereitet in diesen Tagen offenbar eine neue, zweite große Militäroperation in Syrien vor. Dabei soll es zunächst um einen Angriff auf Rebellen in Idlib, dann auf die Kurden in Afrin gehen. Einem Bericht der regierungstreuen türkischen Zeitung Yeni Safak vom Freitag zufolge bot Bagheri den Türken ein koordiniertes militärisches Vorgehen in Idlib an. Die Türkei will in Nordsyrien offensichtlich die kurdisch verwaltete Zone aufbrechen. Die dortige Kurdenmiliz YPG sei eng verzahnt oder gar identisch mit der auch in der EU als Terrororganisation eingestuften kurdischen Untergrundarmee PKK.

Der staatliche türkische Baukonzern Toki hat diesen Monat auch mit dem Bau einer 680 Kilometer langen Mauer an der Grenze zum Iran begonnen; ein Großteil der Mauer nach Syrien ist mittlerweile fertiggestellt. Der erste, 114 Kilometer lange Abschnitt zum Iran wird nun entlang der türkischen Provinzen Igdir und Agri errichtet.

Offiziellen Darstellungen in Ankara zufolge soll damit der Übertritt von PKK-Kämpfern und Schmugglern aus dem Iran erschwert werden, wohl aber auch der Zustrom von Flüchtlingen aus Afghanistan und Pakistan. Teheran hatte im Frühjahr die Baupläne bemerkenswerterweise als Beitrag zur Erhöhung der Sicherheit gebilligt. (Markus Bernath, 19.8.2017)