Das Wichtigste sind Geduld und guter Paprika. Gut und gern zwei Tage dauert es, bis traditionelles Ajvar fertig ist, und ohne ordentliche Spitzpaprika wird es nichts. "Roga Paprika", Hornpaprika, heißen sie in der Wojwodina, der serbischen Ebene, wo der Boden und das Klima für sie perfekt ist und wo dementsprechend auch das berühmteste Ajvar herkommt.

Ajvar ist konzentrierter Spätsommer, im Glas für den Winter konserviert. Süßsaurer Paprika, bittere Melanzani und Rauch mischen sich zu einem cremigen Ganzen, das tief und vielseitig und süchtigmachend schmeckt. Am allerbesten soll Ajvar mit Spiegelei und Speck zum Frühstück sein; weil es so gut ist, dass kaum wer, der es besitzt, die Finger davon lassen kann, wird es auch sonst zu allem Möglichen gegessen, von Grillfleisch bis hin zu frischem Brot – es ist einfach herrlich. Ich empfehle nach einigen Selbstversuchen besonders heurige Erdäpfel, Sauerrahm und Butter.

Zwei Tage dauert die Zubereitung: Ajvar in Gläsern.
Foto: Tobias Müller

Ajvar ist eine jener Köstlichkeiten, die man nur sehr selten kaufen kann – zumindest nicht, wenn man eine richtig gute Variante haben will. Die macht nämlich so viel Arbeit, dass Ajvar auch als "serbischer Kaviar" bezeichnet wird. Ich hatte das Glück, mit Mile Borjanovič Ajvar machen zu dürfen, hochbegabter Grillmeister aus der Gegend um Banja Luka. Mile arbeitet und grillt derzeit im Burgenland Cevapi und war so nett, mit mir serbischen Kaviar auf die altmodische Art zu kochen: draußen, über offenem Feuer.

Reife Paprika werden auf dem Grill außen ordentlich verbrannt, dann gehäutet und schließlich über niedriger Hitze mehrere Stunden reduziert, bis sie zu einem süß-herben, leicht rauchigen, rundum intensiven Kompott eingedickt sind. Ein wenig gegrillte Melanzani und Öl sorgen für die cremige Konsistenz, Knoblauch, Zucker und Essig runden den Geschmack ab. Aus ungefähr sechs Kilo Gemüse werden dabei in vielen Stunden Arbeit etwa zwei Kilo Ajvar, was es unbezahlbar macht.

Im Restaurant selten selbstgemacht

Für die meisten günstigen Fertigvarianten werden die Paprika nicht gegrillt, sondern bloß mit Wasser und Essig eingekocht. In Restaurants sei so gut wie nie hausgemachtes Ajvar zu bekommen, meint Mile, nur einer seiner früheren Arbeitgeber tat sich die Arbeit des Selbermachens gelegentlich an. Den Hornpaprika dafür kaufte er in Wagenladungsmengen im mehrere Stunden entfernten Belgrad, weil er in Serbien für einen Bruchteil des Preises in Bosnien zu haben war. "Er wächst bei uns einfach nicht ordentlich", meint Mile, "in der Wojwodina aber sind die Erde und das Klima perfekt."

Ajvar dürfte auf eine osmanische Kochtradition zurückgehen, die die einstigen Eroberer auf dem Balkan zurückließen – bis heute wird die Paprika-Marmelade (und ihre Cousins wie das mazedonische Pinjur) von Serbien bis Griechenland gegessen und gekocht. Traditionell wird es im Spätsommer zubereitet, wenn die Paprika reif sind, und dann den ganzen Winter über verspeist (wenn es denn ob seiner Köstlichkeit nicht schon vorher verbraucht ist). Die Kocherei findet meist im Freien statt, weil dort weniger zu putzen ist und es generell mehr Spaß macht.

Nach der Ernte werden die Paprika zunächst einige Tage liegengelassen, damit ihre Haut ein wenig austrocknen kann und die Früchte generell etwa Wasser verlieren – das macht das Schälen und Einkochen leichter. Dann werden sie über Maiskolbenglut gegrillt. Deren Glut ist sehr heiß und entwickelt im Gegensatz zu Holz wenig Rauch und Eigengeschmack – das Ajvar soll schließlich nach Paprika schmecken und nur ein klein wenig nach Selch. Die Paprika sollen nach dem Grillen außen verkohlt, innen aber noch fest und fleischig sein – ein Effekt, der so nur auf dem Grill und nicht im Ofen zu erzielen ist.

Foto: Tobias Müller

Nach dem Grillen dürfen die heißen Paprika eine Stunde zugedeckt rasten, dann werden sie geschält und entkernt und schließlich über Nacht liegengelassen. Erstens, weil Grillen, Häuten und Entkernen bei größeren Mengen so lange dauert, dass es danach ohnehin bereits Abend ist, und zweitens, weil über Nacht viel Flüssigkeit austritt und das Paprikafleisch sich ein wenig entspannt ("Das ist wie beim Rasten von Rindfleisch", meint Mile). Und je weniger Wasser in den Früchten ist, desto schneller geht das Einkochen.

Am nächsten Tag werden die Paprika zerkleinert. Traditionell werden sie per Hand in feine Streifen gezupft. Das Ziel ist es, im Endprodukt merkbare kleine Paprikastücke zu haben, die der Masse Biss und Konsistenz verleihen. "Die Türken sagen, beim Kochen liegt die Magie in den Händen", sagt Mile – bis heute werde daher in seiner osmanisch geprägten Heimat viel mit den Händen gekocht. Miles Großmutter etwa zupft immer noch händisch, er macht sein Ajvar als Zugeständnis an die Moderne dennoch mit dem Fleischwolf: Paprika, Melanzani, Knoblauch und – wer es etwas schärfer mag – ein paar Chilis werden durch die grobe Scheibe (8 mm) gedreht.

Danach ist es Zeit, rund um das Feuer zu entspannen: Paprika, Melanzani, Gewürze, Essig und Öl kommen in einen möglichst breiten Topf (damit die Flüssigkeit schneller verdampft) und werden so lange am Köcheln gehalten und ständig gerührt, bis die Masse eingedickt ist. "Wenn Sie den Löffel durchziehen und das Ajvar teilen können wie Moses einst das Rote Meer, dann ist es fertig", erklärt Mile. Je nach Menge, Feuer und Wassergehalt dauert das zwei bis sechs Stunden. Achtung: Das köchelnde Ajvar blubbert und spritzt mitunter wie Lava. Schließlich werden die Gläser über dem Feuer zwecks Sterilisierung erhitzt, das Ajvar wird abgefüllt und über die kommenden Monate mit dem nötigen Respekt gegessen.

Wer Miles Ajvar noch vor dem Selbermachen quasi als Benchmark probieren will: Der Mann grillt diesen Sommer bei der North Balkan Food Revolution Cevapcici, Ferkel und Lämmer im Kloster am Spitz. Die Grillerei findet noch bis Ende August statt.

Ajvar, über dem Feuer gekocht, nach Mile Borjanovič

Mile und ich haben mit ungefähr fünf Kilo Paprika und einem Kilo Melanzani gearbeitet, das ergab vier große Einkochgläser Ajvar. Weniger machen ist nicht empfehlenswert, weil sonst der Arbeitsaufwand in keinem Verhältnis zur Menge des Ergebnisses steht. Wie viel Ajvar Sie auch machen, das Verhältnis Paprika zu Melanzani sollte bei ungefähr 5:1 liegen. Die Melanzani ist im Endprodukt kaum schmeckbar, sie sorgt aber für die cremige Konsistenz, ihre Bitterkeit soll außerdem die Süße und Säure des Paprika ausbalancieren.

Foto: Tobias Müller

Gewürzt haben wir unsere sechs Kilo Gemüse mit 30 ml Essig, einem Esslöffel Zucker und drei Knoblauchzehen. Das klingt ein wenig homöopathisch, reicht aber völlig aus. Auch hier gilt: Die anderen Zutaten drängen sich nicht in den Vordergrund, sondern unterstreichen nur den Paprikageschmack. Zum Kochen haben wir in etwa 1/4 Liter Sonnenblumenöl verwendet.

Grillen Sie die Melanzani, bis sie weich sind, und die Paprika, bis sie außen rundum schön verkohlt sind, am besten über glühenden Maiskolben, sonst über Kohlen, oder, wenn's gar nicht anders geht, im Ofen auf der Grillstufe.

Foto: Tobias Müller
Foto: Tobias Müller

Lassen Sie die Paprika abgedeckt (etwa in einem Plastiksack oder in einem Topf mit Deckel) eine Stunde rasten – die Schale lässt sich danach viel leichter abziehen. Schälen und entkernen Sie sie so gründlich wie möglich – eine Wasserschale zum regelmäßigen Hände-Eintunken und -waschen hilft hier sehr. Ein bisserl Restschale schadet allerdings nicht. Mile meint, manche noblen Ajvars enthielten gar absichtlich einige Stücke verkokelte Schale.

Foto: Tobias Müller

Lassen Sie das Gemüse über Nacht kalt stehen. Am nächsten Tag sollte sich einiges an Saft abgesetzt haben. Gießen Sie ihn ab (beschleunigt das Einkochen) oder heben Sie ihn auf und gießen ihn später wieder in den Topf (verlangsamt den Prozess, intensiviert den Geschmack). Zerkleinern Sie die Paprika in feine Stücke, entweder per Hand, mit dem Messer oder mit dem Fleischwolf, und schälen Sie die weiche Melanzani mit einem Löffel aus ihrer Schale. Hacken Sie den Knoblauch fein.

Zünden Sie ein Feuer an (oder drehen Sie den Herd auf). Geben Sie Knoblauch, Paprika, Melanzani, Essig, Zucker und die halbe Menge Öl in einen großen, breiten Topf und bringen alles über der Hitze unter ständigem Rühren zum Kochen.

Foto: Tobias Müller

Wenn es blubbert, gießen Sie das restliche Öl zu, reduzieren die Hitze und rühren und köcheln so lange, bis die Masse eingedickt ist. Wenn Sie mit dem Löffel durchfahren, sollte sie nicht gleich wieder zusammenrinnen, sondern es sollte einige Zeit eine klar sichtbare Spur zurückbleiben.

Foto: Tobias Müller

Füllen Sie alles in sehr saubere Einkochgläser. Wer auf Nummer sicher gehen will, kann die gefüllten Gläser mit aufgelegtem Deckel in einem Wasserbad erhitzen und so sterilisieren. Verschließen, kühl lagern und den ganzen Winter über genießen. (Tobias Müller, 20.08.2017)

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