Kein Wahlkampf ohne Geselligkeit und Volksnähe: Kanzler Christian Kern beim Villacher Kirchtag Anfang August.

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Setzt auf berühmte Gesichter und Stimmen: VP-Chef Sebastian Kurz mit Peter L. Eppinger.

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Der Name als Programm: Peter Pilz.

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Die Spitzenkandidaten der Nationalratswahl 2017 sind nicht zu beneiden. Nicht nur müssen sie an zahlreichen Diskussionsrunden und Wahlkampfveranstaltungen teilnehmen, interne Konflikte lösen, ein Unterstützungskomitee aufbauen und Fundraising-Aktivitäten auf die Beine stellen. In Zeiten von Unsicherheit und Politikverdrossenheit geht es vor allem auch darum, das Vertrauen der Wähler zu wecken und Stimmungen zu beeinflussen. Die dafür angewandten Strategien lehnen sich stark an der amerikanischen Tradition an: visuelle Inszenierungen, Persönlichkeitskult und Elemente aus der Welt des Showbusiness.

Visuelle Strategien der Inszenierung

Bilder spielen eine entscheidende Rolle in der politischen Kommunikation. Politiker werden als visuell inszenierte Personen über Social-Media-Kanäle konsumiert. Damit stehen sie unter erheblichem Druck, sich öffentlich als beliebtes und erfolgreiches Subjekt darzustellen: von glücklichen Momenten mit der Familie, Augenblicken der Geselligkeit und Volksnähe, bis hin zu einem Körper, der Produktivität und Leistung symbolisiert. Eine aktuelle Studie zeigt, dass die optische Performanz insbesondere für Jugendliche von Bedeutung ist. Dazu zählen Attraktivität, ein guter Kleidungsstil und allgemeine "Jugendlichkeit".

Der Zwang zur erfolgreichen Bebilderung steht laut dem englischen Soziologen Colin Crouch in engem Zusammenhang mit postdemokratischen Ordnungen, in denen Politik zu einem Publikumsspektakel wird. Das Publikum besteht allerdings nicht aus aufgeklärten Bürgern, sondern aus Zuschauern. Diese nehmen an sozialen Inszenierungen teil, setzen sich aber immer weniger mit ideologischen Positionen auseinander. Das führt zu einer Entleerung von politischen Inhalten.

Personalisierung von Politik

Eng verknüpft mit visuellen Inszenierungen ist ein Persönlichkeitskult. Gewählt werden eher vertraute Gesichter als politische Programme. Der strategische Fokus auf einzelne Personen ist für den Erfolg von Parteien wichtig, da feste Parteibindungen an Bedeutung verlieren. Das rechtspopulistische Lager hat diese Methode schon lange perfektioniert. Jörg Haider hat etwa den "Pensionshunderter" in Kärnten bar ausgezahlt, um seine Person in den Köpfen von potenziellen Wählern mit dem Erhalt von Geld zu verknüpfen. Einmalzahlungen dieser Art tragen nachhaltig nichts zur Armutsbekämpfung bei, dienen aber als persönlichkeitsbezogene Marketingstrategie.

Im aktuellen Wahlkampf wendet die Österreichische Volkspartei derartige Marketingmethoden verstärkt an, sei es mit der Bezeichnung "Liste Sebastian Kurz" oder mit der Akquise von bereits vertrauten Gesichtern wie dem des ORF-Moderators und "Dancing Stars"-Teilnehmers Peter L. Eppinger. Auch Peter Pilz stellt bei der kommenden Nationalratswahl bislang weniger konkrete politische Maßnahmen in den Vordergrund, als vielmehr seinen Namen und seine Person.

Das Gebot der "Lockerheit"

Neben visuellen Inszenierungen und dem Persönlichkeitskult werden Stilmittel der Unterhaltungskultur im Politbusiness immer wichtiger. Dabei ist der Ruf nach souveräner "Lockerheit" besonders laut. Das zeigte sich bei der vergangenen Bundespräsidentschaftswahl, als die Kandidaten auf dem Privatsender Puls 4 im Zuge eines Eignungstests Witze erzählen sollten. Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wurden die Kandidaten während einer Autofahrt befragt, welche Frucht sie gern wären. Wer nicht unbefangen den Wertmaßstäben des Showgeschäftes genügen konnte oder wollte, hatte schlechte Karten.

Die Kandidatin Irmgard Griss zog es vor, ihr Unwohlsein in der Situation offenzulegen und die Sinnhaftigkeit der Fragen anzuzweifeln. Das wurde von vielen Zusehern als abgehoben und unsympathisch wahrgenommen. Christian Kern fühlt sich in der bespaßenden Rolle sichtlich wohler. Auf seiner Facebook-Seite liest er in einem aktuellen Video boshafte Tweets über seine Person vor und kommentiert diese in ironisch-erhabener Manier. Ein Abklatsch einer erfolgreichen Idee aus der Late-Night-Show von Jimmy Kimmel, einer US-amerikanischen Unterhaltungssendung.

Politisches Marketing

Wenn sogar der "Falter"-Herausgeber den Bundeskanzler auffordert, seine nächste Rede gemäß dem Vorbild Barack Obama als Blues zu singen, dann zeigt sich: Das Aneignen von Strategien aus der Welt des Entertainments ist nicht nur fest in der politischen Praxis verankert, sondern mittlerweile zum Imperativ geworden. Im Streben nach Popularität müssen Politiker als PR-Agenten für die Vermarktung ihrer Person aktiv sein, um den Vertrauensverlust und die negativen Konnotationen, die mit dem Bild des professionellen Politikers einhergehen, zu kompensieren. Die tatsächliche Sachkompetenz tritt dabei in den Hintergrund. Primär zählt das für die Öffentlichkeit erzeugte Bild der Person.

Im aktuellen Wahlkampf wird viel davon abhängen, wie die Spitzenkandidaten den paradoxen Inszenierungsspagat zwischen staatsmännisch und bodennahe meistern werden. Es ist wahrscheinlich, dass diejenigen, die den vielfachen Inszenierungserwartungen der Zuschauer am besten nachkommen, als Gewinner aussteigen – und nicht unbedingt die mit den besten Ideen und Kompetenzen für das Land. Ob politische Größen wie Bruno Kreisky sich diesem Performancedruck unterwerfen hätten können und wollen, ist fraglich. (Laura Wiesböck, 17.8.2017)