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Der Hang rutschte am Montagmorgen ab.

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Die Hilfskräfte suchten auch am Dienstag nach Verschütteten.

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Freetown/Wien – Mehr als 300 Menschen starben nach einem Erdrutsch in Sierra Leone. Gut 25 Kilometer von der Hauptstadt Freetown entfernt, löste sich ein Teil der Ortschaft Regent nach heftigen Regenfällen am Montagmorgen. Mehrere Hundert Personen wurden verschüttet. Rund 3000 Menschen sollen obdachlos geworden sein.

Familienangehörige, Soldaten, Rettungskräfte und freiwillige Helfer gruben nach den Vermissten. Die nahegelegenen Leichenschauhäuser waren mit der Anzahl der Opfer überfordert. "Es gibt keinen Platz mehr, wo wir die Toten hinlegen könnten", sagte Mohamed Sinneh, ein Mitarbeiter der Pathologie im Connaught Krankenhaus, zur Nachrichtenagentur AFP.

Dominoeffekt

Dass das Unglück in der Nacht geschah, als noch viele Menschen im Bett lagen, hat zur hohen Opferzahl beigetragen. Es war drei Uhr morgens, als die heftigen Regenfälle rund um Freetown einen Teil des Zuckerhutbergs abrutschen ließen. "Es gab einen Dominoeffekt auf die Länge von gut drei Kilometern", erzählte Kelfa Kargbo, Direktor der Organisation Street Child, der britischen BBC: "Der Schlamm kam herunter und begrub die Menschen lebendig unter sich, riss Häuser und große Gebäude mit sich."

Laut Berichten von Helfern wurden seit sieben Uhr Dienstagmorgen keine Überlebenden mehr aus den Trümmern gerettet. Die Hoffnung schwindet, dass vermisste Personen noch leben. Die Krankenhäuser rufen die Angehörigen auf, die bereits geborgenen Leichen zu identifizieren. Doch die meisten Familienmitglieder graben eher weiter im Schlamm nach ihren Vermissten, als dass sie in die Spitäler fahren.

Baby verschüttet

Eine Frau erzählte Medien, dass sie hörte, wie sich der Erdrutsch näherte. Sie versuchte noch, nach ihrem Baby zu greifen, aber der Schlamm sei zu schnell gewesen. Das Neugeborene wurde verschüttet. "Ich konnte meinen Ehemann noch nicht finden", erzählt die Frau: "Mein Baby war erst sieben Wochen alt."

In einer TV-Ansprache forderte Präsident Ernest Bai Koroma die Bevölkerung auf, die betroffenen Gebiete zu meiden. "Diese Tragödie großen Ausmaßes hat uns wieder einmal herausgefordert, zusammenzukommen, füreinander einzutreten und uns gegenseitig zu helfen", sagte er.

Der Präsident spielte damit auf die Ebola-Krise an, die das Land von Ende 2014 bis Anfang 2016 erschütterte. Das Virus tötete fast 4000 Menschen in Sierra Leone.

Fehlende Stadtplanung

Erdrutsche sind in dem westafrikanischen Land keine Seltenheit. Jährlich bedrohen Überflutungen ganze Stadtviertel und Dörfer. Regelmäßig werden unsicher gebaute Häuser während der Regenzeit weggeschwemmt.

Schuld daran sei die fehlende Stadtplanung, sagt Jamie Hitchen vom African Research Institute zur BBC: "Die Regierung versagt, wenn es darum geht, den ärmsten der Gesellschaft eine Wohnung zur Verfügung zu stellen", sagt er. Es gebe ein chronisches Wohnraumdefizit in der Stadt, und die Probleme würden erst dann diskutiert werden, wenn eine der informellen Siedlungen abrutschen würde. Zudem gibt es keine Notfallpläne für die Rettungs- und Bergeeinsätze bei solchen Katastrophen. Die Ausrüstung der Retter sei quasi nicht vorhanden.

Von den heftigen Regenfällen und seinen Folgen ist vor allem Freetown betroffen. Die überfüllte Küstenstadt beheimatet mehr als eine Million Menschen. Im Jahr 2015 starben zehn Menschen nach Monsunregen, tausende Personen wurden obdachlos. (bbl, 16.8.2017)