Ein Mitglied der libyschen Küstenwache hält vor der Küste nahe den Ortschaften Sabratha und Zawiya Ausschau nach Flüchtlingsbooten.

Foto: AFP / Taha Jawashi

Tripolis/Kairo – Als Warnung gegen den Eintritt in libysche Hoheitsgewässer verteidigte ein Berater der Marine in Tripolis Schüsse in Richtung eines Schiffs der NGO Proactiva Open Arms vor der Küste. Die Marine hatte eine Pressekonferenz einberufen, um klarzustellen, dass ausländischen Schiffen nicht erlaubt werde, an Hilfsaktionen in libyschen Gewässern teilzunehmen. Die Disziplin an den Seegrenzen müsse wieder hergestellt werden, forderte Abdul Hakim Abu Houya, Kommandant der Marinebasis. Die Marine wird daher vor ihrer Küste eine Such- und Rettungszone definieren, in der ausländische Schiffe nicht patrouillieren dürfen.

Diese Maßnahme deckt sich mit den Bestimmungen, die auch im Verhaltenskodex der italienischen Regierung für NGOs enthalten sind. Auch dort wird der Eintritt in territoriale Gewässer untersagt. Ebenso wird der Einsatz von Lichtsignalen, um die eigene Position anzugeben, sowie Kommunikation mit Schleppern verboten.

Immer mehr Zwischenfälle

Zwischenfälle zwischen Hilfsorganisationen und der libyschen Küstenwache haben sich in letzter Zeit gehäuft. Die Rettungsschiffe sind der Küste immer nähergekommen, seit Schlepper fast ausschließlich untaugliche, hoffnungslos überfüllte Gummiboote einsetzen, die nur wenige Seemeilen der gefährlichen Überfahrt nach Europa schaffen.

Derzeit wird etwa ein Drittel der Flüchtlinge auf dieser Route von Schiffen der insgesamt neun im Mittelmeer aktiven NGOs aufgefangen. Das verstärkte Engagement der libyschen Küstenwache wird zur Folge haben, dass mehr Migranten im Chaos des nordafrikanischen Staates, der vorwiegend von Milizen kontrolliert wird, zurückgehalten werden.

Die Lage für die Flüchtlinge in Libyen ist aber menschenunwürdig. Die Hilfsorganisation Oxfam spricht von einer "Hölle" mit Entführungen, Folter, Vergewaltigung und Sklaverei. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) hat von der international anerkannten Regierung von Fayez al-Serraj die Verbesserung der Lebensbedingungen in den Aufnahmelagern und Alternativen wie offene Zentren und sichere Orte für Frauen und Kinder sowie eine schnelle Registrierung verlangt.

Weitere Hilfe aus Italien

Serraj hatte die italienische Marine vor einigen Wochen um Unterstützung gebeten. Alle Schritte scheinen bisher eng abgestimmt. Diese Woche ist ein weiteres italienisches Kriegsschiff in Tripolis eingetroffen. Die Besatzung soll mithelfen, die libyschen Boote zu warten bzw. instand zu setzen. Durch diese Zusammenarbeit, so die EU, soll gewährleistet werden, dass bei den libyschen Grenzkontrollen Menschenrechte respektiert werden.

Unterdessen erklärte die italienische Regierung, dass mit SOS Mediterrane die fünfte NGO den Verhaltenskodex unterzeichnet hat. Zuvor haben ihn bereits Moas, Save the Children, Sea-Eye und Proactiva Open Arms akzeptiert. Weiter offen ist die Zustimmung von Ärzte ohne Grenzen, Sea-Watch, LifeBoat sowie Jugend rettet, gegen die wegen Beihilfe zur illegalen Einwanderung ermittelt wird.

Sea-Eye meldete am Freitag, dass die C-Star, das Schiff der Identitären, manövrierunfähig sei und Hilfe benötige. Die rechtsextremen Aktivisten selbst, die Flüchtlingsrettungen verhindern wollen, sprachen von einem kleineren technischen Problem. An einer Lösung werde gearbeitet. (Astrid Frefel, 11.8.2017)