Ödön von Horvaths Volksstück "Kasimir und Karoline" bei den Salzburger Festspielen.

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Salzburg – Eine junge Frau tritt an die Rampe, kreuzt die Finger vor der Brust und behauptet "Dies ist ein Parkplatz". Sie erzählt vom aufgewühlten Staub rundherum, dem Rummelplatzlärm und dass gar nicht so weit entfernt jemand weint. Was in der Beschreibung wie eine Trainingsübung in einem Workshop klingt, ist die Technik des Regieduos Abigail Browde und Michael Silverstone.

Die unter dem Label "600 Highwaymen" operierenden Theatermacher aus Brooklyn sind spezialisiert auf partizipative Projekte mit Laienschauspielern. Deren "Nichtkönnen" wird kompensiert durch strenge choreografische Bewegungsmodule, die jedem Auftritt Halt und Form geben. Zugleich aber bleibt dabei die Unverbildetheit, das Ungeschliffene der einzelnen nichtprofessionellen Akteure erhalten. Ein Weg, der recht und billig ist.

Schultheatercharakter

Was am Beginn von Kasimir und Karoline im Großen Studio der Universität Mozarteum noch Schultheatercharakter verströmt, erzeugt im Lauf der Vorstellung allmählich einen ungeheuren Sog, der dem so viele Male naturalistisch inszenierten Stück Ödön von Horváths ganz eigene Freiräume eröffnet. Dabei ist zu erwähnen, dass die von hüfthohen Holzwänden eingefasste, vollkommen leere Bühne am Ende der Vorstellung bei ein, zwei Zuschauern einen Horror vacui auslöste, der sich in Buhrufen entlud.

Der Oktoberfestspaß, das Buhlen der Männer, das viele Biertrinken, die sozialen Rangordnungen der Festbesucher in fragilen Zeiten – all das hat das 23-köpfige, zum überwiegenden Teil aus Laien und Azubis bestehende Ensemble mit Hingabe und nie zu pressiert erspielt. Da ist einer (Sebastian Schneider), der dem Kasimir eine besondere Helligkeit verleiht, während ein anderer (Ron Iyamu) ihn bedächtig zeigt, als gefassten wohlüberlegten Mann in einer Krise. Oder Karoline, die einmal forsch-aggressiv wirkt (Maresi Riegner), aber auch abwartend-unsicher (Ivy Lissack).

Jeder "Handgriff" sitzt in dieser, einer eigenen, mit Saša Čelecki erstellten Textfassung folgenden Inszenierung, die Kasimir und Karoline gewissermaßen via Fluglotsenballett neu erschließt. Erzähltheaterabschnitte treiben den Plot voran, wobei auch ein paar neue Vokabeln fallen wie "du Lusche" oder "Verarschung". Das letztere Wort gilt dem Zeppelin, der mit den Wirtschaftsbossen provokant über der Festwiese schwebt, und im arbeitslosen Fußvolk Unmut weckt.

Antipode im Virtuosenzirkus

Eine intensive Lichtgebung (Annette Dell‘Aere) und sachte Musik (Brandon Walcott) drängen im Verlauf der 90 Minuten Vorstellungsdauer auf jene Momente zu, in denen das vorsätzliche Vergnügen sich allmählich ins Gegenteil kehrt. Das Spiel geht ja immer gleich aus: Keine Liebe ohne Ökonomie.

Mit ähnlichen Projekten (The Record oder The Fever) waren 600 Highwaymen schon in Deutschland und der Schweiz zu Gast. Bei den Salzburger Festspielen besetzen sie mit dieser Lowtech-Arbeit, die an Simplizität und Kargheit ihresgleichen sucht, jene Stelle, die lange Zeit Produktionen des Young Directors Project vorbehalten war. Im Virtuosenzirkus der Festspiele ist diese Arbeit gewiss ein Antipode, der indes höchst zeitgenössisch wirkt. Theater mit Laien gehört seit Jahren zum festen Bestandteil etablierter Theater, die auf der Suche nach neuen, demokratischen Ausdrucksformen sind. (Margarete Affenzeller, 12.8.2017)