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Jessica Ennis-Hill, die in London 2012 Olympiasiegerin war, stieg 2017 hochschwanger aufs Podest, um WM-Gold von 2011 zu empfangen.

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27. 10. 2015: Schrott mit Bronze, das sie am 30. 6. 2012 holte.

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London/Wien – "Die Siegerehrung ist einer der coolsten Momente im Sportlerleben", sagt Beate Schrott. "Leider hab ich diesen Moment bei einem internationalen Großevent nie gehabt." Bei der Freiluft-EM 2012 in Helsinki war Schrott im Finale über 100 Meter Hürden am 30. Juni in 12,98 Sekunden als Vierte angekommen, sie war stolz auf das gute Resultat, aber auch traurig, schließlich fehlten nur 0,01 Sekunden auf Bronze, nur 0,06 Sekunden auf Silber. Allein die Türkin Nevin Yanit (12,81) lag weit voran.

Doch der vierte Platz war nur ein vermeintlicher, das stellte sich drei Jahre später heraus, als Yanit nachträglich des Dopings überführt und disqualifiziert wurde. Die Weißrussin Alina Talay erbte Gold, ihre Landsfrau Jekaterina Poplawskaja Silber, und Schrott erbte Bronze. Immerhin bekam sie die Medaille im Rahmen einer Ehrung im Landhaus in St. Pölten umgehängt – am 27. Oktober 2015. Das passte schon, Schrott stammt aus St. Pölten, und die dortige Union ist ihr Verein.

Zaungast in London

Dieser Tage ist Schrott (29), die noch nicht mit dem Sport, aber sehr wohl ihr Medizinstudium abgeschlossen hat, Zaungast bei der WM in London, wo sie 2012 im Olympiafinale Rang acht belegte, was später Rang sieben bedeutete, da Yanit (5.) disqualifiziert wurde. Am Donnerstagabend hat Schrott ihren US-Freund Christian Taylor im Dreisprung-Finale angefeuert. Da ging Taylor, der auch schon zweimal Olympiasieger war, auf seinen dritten WM-Titel los. Nebenbei hat Schrott natürlich bemerkt, dass in London auch Medaillengewinner früherer Weltmeisterschaften geehrt werden, die ob positiver Dopingtests der Konkurrenz erst Jahre später aufgerückt sind.

Diese Zeremonien fanden stets vor der Abendsession und vor mehr als 55.000 Zusehern statt. Manchmal stieg nur eine oder einer aufs Podest für Rang drei, manchmal stiegen zwei hinauf, manchmal drei, auch etliche Staffelteams wurden ausgezeichnet. Schrott: "Ich kann es nachfühlen. Ein toller Augenblick, hier aufs Podest zu steigen." Ihr selbst, sagt Schrott, seien schon im Landhaus die Tränen gekommen. "Das hätte ich wirklich nicht erwartet, aber das überkommt einen wohl automatisch. Für mich war es ja ein großes Karriereziel, so eine Medaille zu holen."

Ennis-Hill und die Tränen der Vergangenheit

Jene Ehrung, die die Britin Jessica Ennis-Hill erfuhr, wird eines der WM-Highlights von London bleiben. Ennis-Hill (31), bei der WM 2011 in Südkorea – vorerst – von der gedopten Russin Tatjana Tschernowa auf Platz zwei verwiesen, war hier schon 2012 Olympiasiegerin im Siebenkampf. Sie stieg hochschwanger aufs Podest, ihr dreijähriger Sohn Reggie war unter den Zusehern. "Ich könnte mir keinen besseren Platz für diese Ehrung wünschen", sagte sie unter Tränen.

Es ist gut möglich, dass der Weltverband (IAAF) auch bei künftigen Großereignissen frühere Medaillengewinner ehren wird. Vielleicht nimmt sich sogar das IOC ein Beispiel, schließlich haben sich auch Olympiasieger schon als Dopingsünder entpuppt. Nicht immer und überall wird die Stimmung so gut sein wie in London. Die Siegerehrungen dort sind nicht zuletzt dem Coach von Ennis-Hill, Toni Minichiello, zu verdanken, der sich dafür eingesetzt hatte. "Vielleicht sollte man einen WM-Tag ausfallen lassen", witzelte er, "damit sich alle Ehrungen ausgehen."

Adam Nelson wäre froh über eine Siegerehrung gewesen. Der US-Kugelstoßer wurde vom gedopten Ukrainer Jurij Bilonoj bei Olympia 2004 um den Titel betrogen. Zehn Jahre später bekam der längst Zurückgetretene die Goldene auf dem Flughafen von Atlanta von einem Funktionär in die Hand gedrückt. "Kein erhebender Augenblick." Nelson hätte sich das Olympiastadion in London gelobt, das Landhaus in St. Pölten wahrscheinlich auch. (Fritz Neumann, 10.8.2017)