Albert S., hier im Gespräch mit ORF-Redakteurin Tiba Marchetti, wähnte sich als vierfacher Vater: "Am Schauplatz" über Scheinväter und Kuckuckskinder um 21.05 Uhr in ORF 2.

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Wien – Sechs bis acht Prozent der Kinder dürften sogenannte Kuckuckskinder sein, sagt ORF-Redakteurin Tiba Marchetti mit Verweis auf Schätzungen. Genaue Zahlen existieren nicht; und dennoch: "Es gibt viel mehr, als man glaubt."

Stimmt die Schätzung, dann sitzt in jeder Schulklasse im Schnitt mindestens ein Kuckuckskind. Das ist die Bezeichnung für ein Kind, dessen Vater nicht sein biologischer Vater ist, weil die Mutter es mit einem anderen Mann gezeugt hat. Zurück bleiben neben den entwurzelten Kindern auch die Scheinväter, die oft erst nach Jahrzehnten erfahren, dass sie nur die sozialen Väter sind.

Für viele ein "Tabuthema"

Für die ORF-Reportage "Am Schauplatz" – zu sehen am Donnerstag um 21.05 Uhr in ORF 2 – hat Sendungsmacherin Tiba Marchetti Betroffene aufgespürt, die so einen "emotionalen Super-GAU" erlebt haben: "Ihnen wird der Boden unter den Füßen weggezogen." Leute zu finden, die über dieses "Tabuthema" vor der Kamera sprechen, sei nicht leicht gewesen, sagt Marchetti im Gespräch mit dem STANDARD. Fündig wurde sie beispielsweise bei Vätervereinen. Bei den Frauen sei sie jedoch bis auf eine Ausnahme nur auf Ablehnung gestoßen.

Einer der Betroffenen ist der 53-jährige Albert S., der sich viele Jahre als Vater von vier Kindern glaubte. Nach der Trennung von seiner Lebensgefährtin hat er vor fünf Jahren erfahren, dass kein einziges Kind sein eigenes ist. Zur psychischen Entwurzelung kam einige DNA-Tests später noch der Kampf ums Geld: "Meine Ex hat mich jahrelang belogen und betrogen", erzählt er. Die Zahlungen für die Kinder fordert er zurück. "Scheinväter suchen nach Gerechtigkeit", erklärt Marchetti, auch wenn es die nicht geben könne: "Sie wollen aber zumindest den Unterhalt zurück."

Späte Suche nach dem Vater

Jaqueline hat erst mit 28 Jahren erfahren, dass ihr Vater nicht ihr echter Vater ist. Der Schock sitzt bei beiden tief: "Er will seitdem nichts mehr mit mir zu tun haben." Ihren biologischen Vater kennt sie nicht – noch nicht, denn sie möchte ihn finden. Die Suche nach den Wurzeln sei ein so starker innerer Drang, dass sie es zumindest versuchen möchte.

An der Reportage hat Marchetti "drei bis vier Monate" gearbeitet, die Wucht des brisanten Themas habe sie überrascht: "Das hat auch mich emotional berührt."

Etwa die Geschichte von Jürgen P., der sich als Vater zweier Töchter wähnte, bis sich herausgestellt hat, dass ein Kind die Tochter des Nachbarn ist. Er habe die Welt nicht mehr verstanden: "Und ich habe immer gesagt, dass gerade die Jüngere ganz nach mir gerät."

Um solches Leid zu minimieren, schlagen Vätervereine zum Beispiel automatische DNA-Tests nach Geburten vor oder eine Umkehr des Prozederes: Mütter sollten schriftlich dokumentieren müssen, wer der Vater des Kindes sei. Bei falschen Angaben wäre es für Betroffene später leichter, daraus rechtliche Konsequenzen abzuleiten. (Oliver Mark, 10.8.2017)