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Wann lichten sich die Wolken, und wann spricht die EZB aus, wann und wie sie aus der lockeren Geldpolitik aussteigt? Darüber scheiden sich derzeit noch die Geister.

Foto: dpa / Arne Dedert

Wien – "Whatever it takes" – etwas mehr als fünf Jahre ist es her, dass EZB-Chef Mario Draghi Ende Juli 2012 angekündigt hatte, den Zusammenhalt der Eurozone mit allen Mitteln zu verteidigen. Griechenland war damals längst technisch k. o., und auch die zehnjährigen Anleihenkredite von Italien und Spanien fieberten über die Sieben-Prozent-Marke. Schon die verbale Drohkulisse, nötigenfalls die Renditen durch Käufe der EZB zu senken, zeigte Wirkung. Inzwischen hat die EZB nicht mehr die Peripherie der Eurozone im Fokus, sondern kauft seit zweieinhalb Jahren Staatsanleihen der gesamten Eurozone in Bausch und Bogen, derzeit im Ausmaß von monatlich 60 Milliarden Euro.

Nun scheint der Erhalt der Eurozone gesichert, die Deflationsgefahren weitgehend gebannt, und das Wachstum in der Währungsunion zieht an. Daher orakeln viele Ökonomen und Börsianer nicht mehr, ob, sondern wie stark Draghi den Fuß vom geldpolitischen Gas nehmen wird. Im Herbst müsse die EZB über ihr weiteres Vorgehen bei den Anleihenkäufen Farbe bekennen, so die Erwartung in Handelsräumen.

Das sieht auch Wolfgang Habermayer, Geschäftsführer der Beratungsgesellschaft Merito Financial Solutions, so – zeigt sich hinsichtlich seiner Erwartung aber sehr zurückhaltend. "Das Kaufprogramm wird sicher verlängert", sagt Habermayer, "die Frage ist nur, in welchem Ausmaß." Für ein sogenanntes Tapering, also ein geplantes, sukzessives Abschmelzen der monatlichen Käufe bis zum Auslaufen, ist es aus seiner Sicht noch zu früh: "Ich glaube nicht, dass es jetzt schon kommt", sagt Habermayer, denn einerseits erwartet er nicht, dass die gute Konjunktur in der Eurozone bis 2018 in derzeitiger Stärke anhält.

Faule Kredite

Auf der anderen Seite sieht der ehemalige Bank-Austria-Vorstand noch ein weiteres Hindernis: den Bankensektor mit rund einer Billion Euro an faulen Krediten. "Solange das Thema nicht ausreichend abgearbeitet ist, bleibt eine lockere Geldpolitik", sagt Habermayer. Die EZB brauche Ergebnisse, bevor sie die Geldpolitik straffen könne. Wie lange das noch dauern werde, sei schwer abzuschätzen. "Es passiert schon etwas, aber sehr langsam. Man muss befürchten, dass es zu einem Evergreen wird", sagt der Experte.

Eine spätere oder langsamere geldpolitische Straffung kommt Anleihenbesitzern zwar grundsätzlich entgegen, allerdings besteht laut Habermayer das "Dilemma der Asymmetrie" weiterhin: "Es gibt weniger zu verdienen, als zu verlieren." Dass sich die Inflation in der Eurozone hartnäckig unter dem EZB-Zielwert von knapp unter zwei Prozent hält, wird laut den Experten des Fondsanbieters JPMorgan Asset Management noch andauern. Sie führen die globale Niedriginflation nämlich auf weiterhin bestehende Kapazitätsreserven, vor allem in den Schwellenländern, zurück.

Das bedeutet, dass Nachfrageanstiege nach Gütern oder Dienstleistungen aus den Reservekapazitäten bedient werden können, ohne das Preisniveau zu erhöhen. "Es könnte bis weit über 2018 hinaus dauern, ehe die Aushöhlung der Kapazitätsreserven, die noch von der Finanzkrise von 2008 stammt, wieder ausgeglichen ist", folgerte JPMorgan Ende Juli. (Alexander Hahn, 12.8.2017)