Wenn es wahr ist, dass die Leute keine Programme wählen, sondern Personen: Welche Art von Führungspersönlichkeit wollen wir eigentlich haben? Eine Faustregel scheint in jedem Fall zu gelten: Wir wollen jemanden, der möglichst so ist wie wir – nur besser.

Donald Trump punktete bei seinen Wählern mit Macho-Manieren, viel Geld, schönen Frauen und der Parole: "You're fired." So, lautete die Botschaft, kann man jedes Problem lösen. Genauso wollten viele Trump-Wähler sein. Andere wichtige Staatschefs, von Angela Merkel bis Recep Tayyip Erdogan, von Wladimir Putin bis Emmanuel Macron, konnten bei aller persönlichen wie politischen Verschiedenheit auf einen ähnlichen Effekt zählen: Sie waren und sind für viele persönliches Vorbild, ihnen trauten ihre Wähler zu, mit ihrer Art zu regieren das Land voranzubringen, und in ihnen sahen sie auch die geeignete Person, ihre Nation und ihre Werte nach außen zu vertreten. Für den Regierungschef oder die -chefin will man sich nicht genieren, sondern auf sie möchte man stolz sein. So sind wir. Unser Mann, unsere Frau.

Und wie ist das im bevorstehenden Wahlkampfduell Kern – Kurz? Christian Kern hat mit seiner programmatischen Parteiratsrede die klassische sozialdemokratische Position herausgestellt: Wir vertreten die Schwachen in der Gesellschaft. Sie sind die Mehrheit, deshalb werden wir gewinnen. In vergangenen Zeiten hat das manchmal funktioniert, weil der klassenbewusste und kampfbereite Arbeiter, wiewohl ökonomisch schwach, damals nicht als Armutschkerl herüberkam, sondern als starke und stolze Figur. Mit ihm konnten sich viele durchaus identifizieren. Das ist heute anders. Zu den Verlierern und Abgehängten will niemand gehören. Trotzdem könnte die Rechnung aufgehen, vor allem deshalb, weil Kern selbst nicht den Typ des Losers verkörpert, sondern den des erfolgreichen Winners. Und im Slogan "Hol dir, was dir zusteht" steckt auch nicht so sehr Solidarität als zeitgemäßer Eigennutz.

Und Kurz? Seine Jugend ist ein Atout, viele Junge sind automatisch für "einen von uns". Er versteht es gut, die Trendigen, Feschen und Erfolgreichen anzusprechen und auch die, die gern trendig, fesch und erfolgreich sein möchten. Wenn er allen möglichen Leuten Briefe schreibt und sie mit "Dein Sebastian" unterzeichnet, fühlen sich viele geehrt und können sich sagen: Der Basti ist wie ich, nur ein bisschen cleverer.

Es ist unbestreitbar, dass es mehr Arme als Reiche, mehr Erfolglose als Erfolgreiche in der Gesellschaft gibt. Aber niemand will zu Letzteren gezählt werden. Bei Umfragen verorten sich regelmäßig die meisten Befragten im Mittelstand, obwohl sie in Wirklichkeit einkommensmäßig eher im unteren Bereich liegen. So ist es zu erklären, dass Millionen US-Bürger, viele davon arme Teufel, einen Milliardär zum Präsidenten wählten, der ihre Krankenversicherung kippt und alles andere als ein Vertreter der armen Teufel ist. Sie dachten sich offensichtlich: Donald Trump ist wie ich, nur ein bisschen reicher.

Wer für die hiesigen wahlentscheidenden Vergessenen, Enttäuschten, Wütenden und Politikverdrossenen (die erklärte Zielgruppe von Peter Pilz) "unser Mann" sein wird, wagen auch die Meinungsforscher nicht wirklich vorauszusagen. (Barbara Coudenhove-Kalergi, 9.8.2017)