Es tut sich was im Mittelmeer. Die Zeichen verdichten sich, dass die massiven Fluchtbewegungen langsam, aber doch ein Ende nehmen. Die libysche Küstenwache kündigte jüngst an, rigoros gegen Schiffe ausländischer NGOs vorzugehen – als Reaktion kündigten nun mehrere an, ihren Rettungseinsatz zu unterbrechen. Allerdings: Derzeit scheint es auch immer weniger Bedarf an Rettern zu geben. Laut der Zahlen aus Italien entwickelten sich die Ankünfte so: Juni – 23.526 Menschen, Juli – 11.459 Menschen, die ersten beiden Augustwochen: 1.700 Menschen.

Die EU und vor allem Italien investieren viel, um die libysche Küstenwache als Türsteher für Europa aufzubauen. Millionen fließen nach Tripolis, Ausbildungsprogramme laufen, außerdem schickt Rom Schiffe und Soldaten zur Unterstützung. Das Vorgehen ist im Grundsatz richtig, Experten zufolge gilt folgender Maßnahmenmix als am erfolgversprechendsten: Kontrolle der EU-Außengrenzen, Zusammenarbeit mit Herkunfts- und Transitländern und Möglichkeiten der legalen Zuwanderung.

Der Gedanke dahinter: Schafft man es, die Flüchtlingsbewegungen über das Mittelmeer einzudämmen, könnten EU-Mitgliedsstaaten eher dazu bewegt werden, an Resettlement-Programmen zu partizipieren. Hinzu kommt verstärkte Entwicklungshilfe, die mittelfristig Fluchtursachen aus der Welt schaffen soll.

Kooperation unabdingbar

Um die maritimen EU-Außengrenzen effektiv zu schützen, ist eine Kooperation mit Ländern auf der anderen Seite des Meeres unabdingbar. Ansonsten werden, wie seit Jahren, aufgegriffene Flüchtlinge nach Europa transportiert. Der Schlüssel zur Lösung des Problems liegt also in Libyen. Sehnlichst wurde darauf gewartet, dass sich dort Strukturen entwickeln, mit denen sich arbeiten lässt. Doch dieser Moment ist noch nicht gekommen.

Die Zustände in den libyschen Internierungslagern, in die abgefangene Flüchtlinge verfrachtet werden, sind in höchstem Maße inhuman. Vergewaltigungen, Folter, Erpressungen, Zwangsarbeit. Jene, die ihr entkommen sind, bezeichnen sie als "Hölle auf Erden". Das berichten nicht nur NGOs, auch eine EU-Delegation konnte sich vor Ort ein Bild von den menschenunwürdigen Zuständen machen. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn urteilte unlängst drastisch, dass das "zum Teil Konzentrationslager" seien.

Doch Europa hat die Geduld verloren und setzt sich ins Boot mit einer Regierung, die kaum Einfluss in Libyen hat. Kooperiert mit einer libyschen Küstenwache, die mit dubiosen Personen durchsetzt ist und mit hoher Wahrscheinlichkeit mit Milizen und Schleppern zusammenarbeitet.

Fragt man in Brüssel nach, heißt es, dass "man jede Gewalt verurteile", dass die Menschenrechte gewahrt werden sollen. Doch bis die Hölle ein Ende hat, wird es noch lange dauern. Das weiß Europa. Aber wie sagte ein hoher EU-Beamter bereits Anfang Februar dem Handelsblatt: "Am Ende werden wir in der Bevölkerung nur daran gemessen, dass wir die Flüchtlingszahlen runterbringen." (Kim Son Hoang, 13.8.2017)