Das Kolonkarzinom ist in Österreich die zweithäufigste bösartige Tumorerkrankung bei Frauen sowie die dritthäufigste bei Männern. Aktuelle Forschungsergebnisse der Medizinischen Universität Graz zeigen, dass sogenannte MicroRNAs – kleine nicht-kodierende RNA Moleküle, welche die Genexpression maßgeblich beeinflussen – eine tragende Rolle in der Streuung von Metastasen beim Kolonkarzinom spielen. Die Forschungsergebnisse wurden kürzlich in den Journals "Clinical Cancer Research" und "Genome Biology" veröffentlicht.

"In allen Körperzellen und somit auch in Tumorzellen laufen ständig biochemische Prozesse ab, welche maßgeblich durch Eiweißmoleküle (Proteine) gesteuert werden", erklärt Martin Pichler, Leiter der Research Unit "Non-coding RNAs and Genome Editing in Cancer". Krebszellen benötigen diese Eiweißmoleküle, um in gesundes Gewebe eindringen zu können, sich auszubreiten und in das Blutgefäßsystem eintreten sowie in andere Organe streuen zu können.

Ob und wie viele solcher Eiweißstoffe gebildet werden, ist ein subtil reguliertes und komplex kontrolliertes Gleichgewicht. "Eine Ebene dieser Regulation läuft über MircroRNAs, welche die Produktion der Eiweißstoffe hemmen können. Dieser Mechanismus in Krebszellen wurde erstmals von George A Calin im Jahr 2002 beschrieben. Der Experte ist derzeit als Gastprofessor an der Med Uni Graz in der Forschung und Lehre tätig", so Pichler.

Großes Potential als Biomarker

Gemeinsam mit Calin und einer Forschergruppe untersucht Pichler die Anomalien dieser "Non-Coding RNAs" beim Dickdarmkrebs. "Hat man früher angenommen, dass nur die für Protein-kodierenden ("Coding") Gene definierten Abschnitte im menschlichen Genom Bedeutung haben, und die viel umfangreicheren dazwischen liegenden Abschnitte irrelevant sind – diese wurden von einigen Autoren sogar als "Junk DNA" bezeichnet – hat sich das Wissen um jene "Non-coding" Anteile vervielfacht. Pharmakologische und Biomarker Studien weisen auf das große Potential für die Nutzung dieser MicroRNAs hin, nicht nur bei Krebserkrankungen, sondern auch bei Infektionserkrankungen oder Stoffwechselerkrankungen", so Pichler.

Im Rahmen mehrerer aktueller wissenschaftlicher Arbeiten konnten Pichler und seine Kollegen einige dieser MicroRNAs und andere Non-Coding RNAs entdecken, die die Ausbreitung von Dickdarmkrebszellen regulieren. So beschreiben die Forscher beispielsweise die Rolle der MicroRNA miR-196b-5p als möglichen Biomarker zur Prognose der Metastasierung von Dickdarmkrebs. Zwei unabhängige Kohorten mit insgesamt rund 300 Patienten zeigen, dass eine niedrige miR-196b-5p Expression signifikant mit Metastasenbildung assoziiert ist.

Die Wissenschafter haben entdeckt, dass miR-196b-5p einen direkten Einfluss auf die Krebszellmigration und die Bildung von Metastasen ausübt, wobei das verminderte Vorkommen von miR-196b-5p zu einer erhöhten Metastasenbildung führte, wohingegen eine Überexpression den gegenteiligen Effekt erzielte und die Metastasierung hemmte. "Könnte man hier ansetzen und die Funktion dieser Regulatoren beeinflussen, wären die Ergebnisse unserer Studien für mögliche therapeutische Ansätze potentiell nutzbar", so die Erstautorin einer der Studien Verena Stiegelbauer, ehemalige Dissertantin in der Doctoral School "Translational Molecular and Cellular Biosciences" an der Med Uni Graz. (red, 9.8.2017)