Fußballschiedsrichter sind nur ihrem Regelwerk verpflichtet. Im Idealfall finden sie damit das Auslangen. Der Idealfall tritt aber selten ein, handelt es sich doch um ein ziemlich emotionsanfälliges Spiel. Das Wiener Derby zwischen Rapid und der Austria ist seit Jahr und Tag äußerst emotionsanfällig. Die 322. Auflage am vergangenen Sonntag drohte gar zu eskalieren, Gegenstände wurden aufs Spielfeld geworfen, auf dem Rasen wurde unter den Spielern heftig diskutiert.

Der Schiedsrichter machte in dieser Situation großzügig von seinem Ermessensspielraum Gebrauch. Er verwarnte einen Ersatzspieler, Rapids Ehrenkapitän Steffen Hofmann nicht, obwohl der an der Seitenlinie nicht nur nicht zur Deeskalation beitrug, sondern eher eskalierend wirkte. "Ich hätte den Spieler Hofmann mit Gelb verwarnen müssen", sagte der Referee danach. "Ich wollte die Situation so lösen, dass wir weiter spielen können. Mit einer Verwarnung hätte ich Öl ins Feuer gegossen."

Man kann diese Entscheidung klug finden. Man kann diese Entscheidung aber auch als Einknicken vor einem Teil des Publikums interpretieren, der mit Gewalt – nichts anderes ist das Bombardement mit Feuerzeugen, Fahnenstangen und Trinkbechern – auf den Spielverlauf Einfluss zu nehmen sucht. Der Schiedsrichter ist dieser Gewalt gewichen. Sogenannte erlebnisorientierte Fans können diesen Regelbruch durchaus als Einladung verstehen. (Sigi Lützow, 7.8.2017)