Zwischen 2001 (letzte Volkszählung) und 2016 hat sich der Anteil der Muslime in Österreich von vier auf acht Prozent verdoppelt (700.000 Personen). Das ist Faktum. Es gibt aber auch Zukunftsprojektionen:

Wenn es zu einer starken Zuwanderung aus dem Nahen Osten und Afrika kommt, dann sind in rund 30 Jahren (2046) 21 Prozent der österreichischen Bevölkerung Muslime. In Wien sind es dann 30 Prozent. Sie wären dann die größte religiöse Gruppe in der Hauptstadt (weil der Anteil der Christen dort besonders stark zurückgeht und der der Nichtreligiösen stark zunimmt).

All dies steht in einer Studie des Vienna Institute of Demography (gehört zur Akademie der Wissenschaften), erstellt von einem Team unter Anne Goujon.

Es handelt sich da allerdings um ein Szenario, das die Autoren selbst als unrealistisch bezeichnen. Realistisch ist nach Aussage von Anne Goujon eine Entwicklung, bei der es entweder bei hauptsächlich innereuropäischer Zuwanderung bleibt; oder eine etwas stärkere aus dem Nahen Osten dazukommt. In beiden Fällen gehen die Katholiken auf unter 50 Prozent zurück, die Konfessionslosen steigen auf etwa 25 Prozent und die Muslime auf 14 bis 17 Prozent.

Wie steht man zu dieser bedeutendsten gesellschaftlichen Veränderung seit 1945? Man muss kein Rassist und/oder Islamophober, sondern kann sogar ein Liberaler sein, wenn man folgende Besonderheiten der muslimischen Bevölkerung festhält:

Die Religion spielt bei sehr vielen Muslimen eine weit größere Rolle als bei anderen; sie wird als integraler oder sogar bestimmender Bestandteil des Lebens empfunden oder gepredigt. Das ist ein großer Unterschied zu Europäern, die die Dominanz der Kirche abgeschüttelt haben (ohne deren Rolle fundamental infrage zu stellen). Das Gesellschaftsbild der meisten Muslime ist sehr konservativ, besonders was das Frauenbild betrifft. Errungenschaften der liberalen Jahrzehnte seit den 1970ern geraten da bei einem beträchtlichen Teil der Bevölkerung unter Druck. Und selbstverständlich gibt es einen politischen Islam, der sich mehr und mehr organisiert, vor allem unter den Türkischstämmigen.

Kurzum, der Zuwachs an Muslimen bringt in Österreich – wie in ganz Europa – eine stark konservative bis reaktionäre Note in das gesellschaftliche Gesamtbild. Das sollten auch und gerade liberale Antirassisten erkennen können (und wollen).

Anne Goujon sagt, dass die religiösen Verhältnisse der 1970er-Jahre mit 75 Prozent Katholiken und praktisch keinen Muslimen nicht wiederkehren werden. Wenn man der Meinung ist, dass sich die Muslime möglichst den Errungenschaften einer liberalen Gesellschaft annähern sollen, dann liegt der Schlüssel in der Bildung.

Abschottung ist geradezu die zwangsläufige Folge von mangelndem Spracherwerb (und gebildete Frauen bekommen nachweisbar weniger Kinder). Die Zuwanderung (z. B. über die Mittelmeerroute) ist eine Sache. Aber das eigentliche Problem liegt in der Integration jener, die schon lange hier sind. (Hans Rauscher, 4.8.2017)