"Altes Geld" im digitalen Vertriebskanal: Österreichische Produktionen dürfen nicht ins globale Nirwana eingehen.

Foto: ORF/Superfilm

Das österreichische Fernsehpublikum konsumiert Angebote bezahlpflichtiger Online-Videotheken im Ausmaß von 23.000 Minuten pro Tag. Das entspricht lediglich zwei Prozent der gesamten täglichen Bewegtbildnutzung, denn auf lineares Fernsehen entfallen weiterhin über 80 Prozent der gesamten Videonutzung. Dennoch handelt es sich um einen rasch wachsenden Markt mit hoher strategischer Bedeutung. Rund 96 Prozent (!) dieses Marktes werden jedoch von den US-Internet-Giganten Netflix und Amazon Prime Video eingenommen. Gerade einmal vier Prozent entfallen auf alternative Angebote wie Maxdome oder eben auch Flimmit (Quelle: Bewegtbildstudie 2017 von AGTT und RTR).

Ist es vor diesem Hintergrund tatsächlich eine "Fehlentscheidung" des ORF, wie Alexander Zuser in seinem Userkommentar meint, in eine österreichische Plattform mit österreichischem Technologie-Know-how zu investieren und der heimischen Filmwirtschaft damit einen eigenen Vertriebskanal zu bieten? Sicher nicht!

Digitaler Einkauf

Das digitale Geschäft folgt in vielen Bereichen den Logiken des analogen. In den Supermärkten entscheidet die Positionierung der Waren in den Regalflächen über den Verkaufserfolg. Mindestens so entscheidend ist es, mit welchem Auffälligkeitswert eine bestimmte Film- oder Serienproduktion in den Online-Videotheken von Netflix und Amazon präsentiert wird. Selbstverständlich nutzen diese Unternehmen den vertrauten und beliebten "Homescreen" ihrer Plattformen, um ihre Eigenproduktionen zu promoten. Produktionen österreichischer Herkunft finden sich dort bestenfalls in homöopathischen Dosen zur Abrundung des Angebots.

Geringe Marktgröße

Die österreichischen TV-Konsumenten möchten heimischen Content konsumieren, wann und wo sie wollen. Die ORF-TVthek kommt diesem Bedürfnis bereits in hervorragender Weise nach. Allerdings ist es dem ORF aufgrund regulatorischer Vorgaben bislang nur gestattet, seine Sendungen bis längstens sieben Tage nach der TV-Ausstrahlung online zugänglich zu machen. Um den Zugang zu den – oft über die Rundfunkgebühren bereits mitfinanzierten – heimischen Inhalten langfristig zu gewährleisten und das Kundenbedürfnis noch besser zu erfüllen, bedarf es einer eigenen österreichischen Plattform. Und zwar mit einer klaren inhaltlichen Positionierung in Ergänzung zu den globalen US-amerikanischen Playern!

Eine rein kommerzielle Refinanzierung einer solchen Initiative hat sich aufgrund der geringen Marktgröße in Österreich als nicht wirtschaftlich herausgestellt. Eine öffentlich-rechtliche Co-Finanzierung soll daher den gebotenen Mehrwert ausbauen und langfristig absichern. Das Abo-Entgelt von rund 35 Euro jährlich soll dabei vornehmlich der Abgeltung der Produzentenrechte dienen, über die der ORF nicht selbst verfügt. Dieser finanzielle Rückfluss an die heimische Kreativwirtschaft kann dann wiederum in neue Produktionen investiert werden.

Abschließend ist zu bezweifeln, dass Zuser auch das Video-on-Demand-Angebot Maxdome, das ProSiebenSAT.1-Chef Thomas Ebeling laut "Handelsblatt" vom 3. Mai 2017 trotz Defizits aus strategischen Gründen weiterführt, als "Fehlentscheidung" bezeichnen würde. Man beißt eben nicht die Hand, die einen füttert. (Michael Wagenhofer, 7.8.2017)