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Trinh Xuan Thanh auf einer Berliner Parkbank

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Am Rande des G20-Gipfel erkundigte sich Vietnams Regierung über die Möglichkeit einer Auslieferung Trinh Xuan Thanh, Bundeskanzlerin Angela Merkel empfing Premier Nguyen Xuan Phuc.

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Berlin/Hanoi – Der vietnamesische Geheimdienst hat nach Informationen des deutschen Außenministeriums einen ehemaligen Parteifunktionär mitten in Berlin gekidnappt und in seine Heimat verschleppt. Die deutsche Regierung forderte deshalb den Residenten des vietnamesischen Nachrichtendiensts an der Botschaft in Berlin auf, Deutschland innerhalb von 48 Stunden zu verlassen.

"Wir sind sicher, dass Stellen des vietnamesischen Staates in den letzten Tagen hier Handlungen vorgenommen haben, die nur mit Begriffen des Strafrechts qualifiziert werden können – Menschenraub, Entführung", sagte der Sprecher des Auswärtigen Amts, Martin Schäfer, am Mittwoch. Die Bundesregierung habe den vietnamesischen Botschafter am Dienstag vorgeladen und behalte sich weitere Konsequenzen vor.

Vietnam strebt trotz des Entführungsfalls engere Beziehungen mit Deutschland an. Sie bedauere die Äußerungen des Auswärtigen Amtes in Berlin sehr, sagte eine Sprecherin des vietnamesischen Außenministeriums am Donnerstag in Hanoi. Vietnam respektiere die strategische Partnerschaft zwischen beiden Ländern und wolle diese ausbauen.

Das vietnamesische Staatsfernsehen zeigte Bilder des 51-Jährigen und veröffentlichte eine Erklärung, die von ihm stammen soll. "Ich habe mir das nicht reif überlegt und entschieden, mich zu verstecken. Während dieser Zeit habe ich eingesehen, dass ich mich der Wahrheit stellen, meine Fehler eingestehen und um Verzeihung bitten muss." Das gezeigte Geständnis war auf Montag datiert.

Entführung im Tiergarten

Augenzeugen hatten am 23. Juli beobachtet, wie zwei Männer im Berliner Tiergarten in ein Auto mit tschechischen Kennzeichen verschleppt wurden. Einer der Entführten soll der 51-jährige Trinh Xuan Thanh, ein Geschäftsmann und ehemaliger Funktionär der vietnamesischen Kommunistischen Partei gewesen sein.

Nach Angaben der vietnamesischen Ermittler stellte sich Thanh am Montagabend in seiner Heimat den Behörden. Sein Anwalt Victor Pfaff äußerte gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" allerdings Zweifel an dieser Version der Ereignisse: dass sein Mandant zu dem für Montagmorgen angesetzten Termin im Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge einfach verstreichen haben lasse, könne er sich nicht vorstellen.

Wie die Entführer Thanh nach Vietnam brachten, ist unbekannt: "Wir gehen davon aus, dass der Mann in Hanoi ist. Auf welchem Weg er dorthin kam, ist für die Ermittler unklar", sagte Polizeisprecher Winfrid Wenzel der "taz".

Asylantrag in Deutschland

Thanh wird zur Last gelegt, als Chef einer Tochterfirma des staatlichen Öl- und Gaskonzerns Petro Vietnam für Verluste von umgerechnet 125 Millionen Euro verantwortlich zu sein. Er hatte in Deutschland Asyl beantragt, das Verfahren lief noch. Auch über ein Auslieferungsersuchen Vietnams sei noch nicht entschieden worden, sagte Schäfer.

Vor einem Jahr wurde Thanh sein Abgeordnetensitz im Parlament aberkannt. Später wurde er auch aus der Kommunistischen Partei ausgeschlossen. Diese führt derzeit eine Kampagne gegen Korruption.

Gegen Thanh liegt seit September ein Haftbefehl vor, den die deutschen Ermittler laut "taz" allerdings nicht berücksichtigten, weil ihnen der Tatvorwurf "Verletzung der Rechtsvorschriften von Vietnam" zu unkonkret war.

Dissidenten in Haft

Laut Jahresbericht der der Menschenrechtsorganisation Amnesty International gab es im Jahr 2016 in Vietnam mindestens 88 Gewissensgefangene, immer wieder kommt es zu gewalttätigen Übergriffen gegen Regierungskritiker. Der Menschenrechtsanwalt Le Quoc Quan verbrachte wegen Steuerhinterziehung 30 Monate im Gefängnis.

Deutschland war 2016 mit einem Volumen von 10,3 Milliarden Dollar der wichtigste Handelspartner Vietnams in der EU. Weitere Impulse für den Import und Export von Waren werden von dem 2015 zwischen der EU und dem sozialistischen Land geschlossenen Freihandelsabkommen erwartet. (red, APA, Reuters 3.8.2017)