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Die Finanzmetropole London könnte einen Banker-Exodus erleben, warnt eine Beratungsfirma.

Foto: Reuters/Kirsty Wigglesworth

London – Die Stimmung im Londoner Bankenviertel wird zunehmend gedämpfter. Immer mehr Banken wollen wegen des Brexits Teile ihres Geschäfts auf den Kontinent verlagern. Eine Studie der Wirtschaftsberatung Oliver Wyman vom Dienstag wird die Laune kaum verbessern. Demnach wird der EU-Austritt sehr viel mehr Arbeitsplätze in der "City" kosten als erwartet.

Vergangenes Jahr ist das Beratungshaus davon ausgegangen, dass im Fall eines harten Brexits – also eines Austritts aus der EU, dem Binnenmarkt und der Zollunion – mittelfristig 31.000 bis 35.000 Arbeitsplätze abwandern könnten. Aktuell beziffert Wyman die möglichen Jobverluste auf bis zu 40.000.

Sektor unter Druck

Auch eine führende britische Finanzpolitikerin warnte am Dienstag vor einem harten Brexit, bei dem das Land jeden Zugang zum europäischen Binnenmarkt verlöre. "Der Abgrund, vor dem die Unternehmen im April 2019 stehen, ist Grund zur Sorge, besonders für den Finanzsektor", sagte die Vorsitzende eines Finanzausschusses im Unterhaus, Nicky Morgan. Daher müsse es Übergangsregeln für einen Austritt geben. "Richtige Regeln zu vereinbaren wird entscheidend dafür sein, die Bedeutung der Londoner City als globales Finanzzentrum zu sichern."

Die Scheidungsgespräche verlaufen bisher holprig. Streitpunkte sind unter anderem gegenseitige finanzielle Verpflichtungen und der Status von Millionen Briten und EU-Bürgern im jeweils anderen Gebiet. Erst wenn das geklärt ist, soll über die künftigen Handelsbeziehungen verhandelt werden. Diese sind für Großbritannien von besonderer Bedeutung, da das Land den gemeinsamen Binnenmarkt und die Zollunion mit dem Austritt am 29. März 2019 verlassen will.

Wirtschaft verliert an Schwung

Ein Stottern sehen Experten jetzt schon andernorts: Die Banken in Großbritannien haben zuletzt weniger Hypothekenkredite vergeben. Die Zahl fiel von 65.109 im Mai auf 64.684 im Juni, geht aus am Montag vorgelegten Daten der Bank of England (BoE) hervor. Das ist der niedrigste Wert seit September. Die Zahlen gelten manchen als Beleg dafür, dass die britische Wirtschaft im Zuge des Brexits an Schwung verliert.

"Angesichts politischer und wirtschaftlicher Unsicherheiten haben jetzt auch die Häuserkäufe ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht", sagte Alastair McKee vom Hypothekenmakler One 77 Mortgages.

Die Notenbank hatte in ihrer Prognose vor drei Monaten tendenziell mit einem Anstieg der Monatszahlen zu den Immobilienkrediten gerechnet. Sie kommt am Donnerstag zu ihrer nächsten Zinssitzung zusammen. Die BoE hat den Leitzins im August 2016 nach dem Brexit-Schock auf das Rekordtief von 0,25 Prozent gesenkt. Nach Ansicht von Zentralbankchef Mark Carney dürfte eine Zinserhöhung allmählich wieder ein Thema werden. Experten rechnen aber noch nicht mit einer Anhebung, auch wenn zumindest zwei Währungshüter auf höhere Zinsen drängen dürften.

Zuletzt hat insbesondere die Finanzmetropole London die Brexit-Planungen zu spüren bekommen. Diese drückten dort auch auf die Preise auf den lange boomenden Immobilienmarkt und bremsten den Stellenaufbau, wie aus einer Studie des Instituts Centre of London hervorgeht. (Reuters, APA, red, 1.8.2017)